Inhalt
1. Vorwort..................................................................................................................................
2
2. Der psychiatrische Krankheitsbegriff - Ist der Irre krank?............................................. 3
2.1. Geschichtliche Entwicklung....................................................................................................
4
2.2. Diagnostik...............................................................................................................................
7
2.2.1. Schizophrenie nach dem ICD-10...............................................................................
8
2.2.2. Kritik der Diagnostik.................................................................................................
9
2.3. Ätiologie................................................................................................................................
13
2.4. Therapie................................................................................................................................
15
2.5. Bewertung des Krankheitsbegriffs........................................................................................
16
3. Zwang und Gewalt in der Psychiatrie...............................................................................
18
3.1. Zwangseinweisung.................................................................................................................
19
3.1.1. Zur Geschichte der Irrengesetze..............................................................................
19
3.1.2. Das "Gesetz über Hilfen für psychisch Kranke und Schutzmaßnahmen
des Landes Sachsen-Anhalt.......................................................................................
21
3.1.3. Empirie der Zwangseinweisungen............................................................................
22
3.2. Zur Legitimation der Gewaltanwendung...............................................................................
22
3.2.1. Gefahr als Folge psychischer Krankheit..................................................................
23
3.2.2. Das Verfahren...........................................................................................................
24
3.2.3. Verbindung von Zwang und Hilfe.............................................................................
25
3.2.4. Zusammenfassung.....................................................................................................
26
3.3. Bedeutung der Gewalt für die Psychiatrie.............................................................................
27
3.4. Gewaltfreie Psychiatrie?.......................................................................................................
28
3.5 Zusammenfassung..................................................................................................................
29
4. Soziale Arbeit in der Psychiatrie........................................................................................
30
4.1. Einführung.............................................................................................................................
30
4.2. Die "Offene (Irren-)Fürsorge................................................................................................
30
4.3. Die Funktion Sozialer Arbeit in der Psychiatrie...................................................................
31
4.4. Interview mit L.Schulze-Steinamnn.......................................................................................
32
4.5. Die Zuständigkeit und Kompetenz Sozialer Arbeit...............................................................
36
4.6. Soziale Arbeit in der Psychiatrie..........................................................................................
37
5. Soziale Arbeit in der Antipsychiatrie.........................................................................................
39
5.1. Antipsychiatrische Organisation ehemaliger Psychiatrie-Patienten.................................... 39
5.2. Interview mit R. Talbot..........................................................................................................
40
5.3. Soziale Arbeit und Antipsychiatrie........................................................................................
43
5.4. Formen der Zusammenarbeit................................................................................................
44
A Literaturverzeichnis............................................................................................................
45
1. Vorwort
Diese Arbeit versucht die Widersprüche, die sich aus meiner praktischen Tätigkeit als Sozialpädagoge
in psychiatrischen Einrichtungen und bei der Mitarbeit bei der antipsychiatrischen "Irren-Offensive e.V."
ergeben haben, zu reflektieren. Dabei werde ich im ersten Teil der Arbeit (Kapitel 2 und 3) die derzeitige Theorie
und Praxis der Psychiatrie grundsätzlich hinterfragen. Im zweiten Teil (Kapitel 4 und 5) die Bedingungen Sozialer
Arbeit im Bereich Psychiatrie und Antipsychiatrie besprechen.
Der Begriff der "psychischen Krankheit" und mit ihm die gesamte Psychiatrie stand in den sechziger und
siebziger Jahren heftig in der Kritik. Neben kritischen Psychiatern waren es aber auch vor allem nichtmedizinische
Berufsgruppen, wie Soziologen, Psychologen, Philosophen, u.a., die die psychiatrische Theorie und Praxis grundlegend
in Frage stellten. In den achtziger Jahren, nachdem die Kritiker entweder verstummten oder an einer Reform der
Psychiatrie arbeiteten, waren es Initiativen von ehemaligen Psychiatriepatienten, die sich radikal gegen die Psychiatrie
wandten und immer noch gegen sie wehren. Heute stehen sie einer gestärkten Psychiatrie gegenüber, die
sich in weiten Teilen eine gesellschaftliche Akzeptanz erarbeitet hat.
In dieser Arbeit werde die heutigen Formen der Psychiatrie beschreiben, und diskutieren inwieweit die antipsychiatrische
Kritik noch zutrifft und welches Verhältnis Soziale Arbeit zur Psychiatrie und Antipsychiatrie einnimmt.
2. Das psychiatrische Krankheitsmodell - Ist der Irre krank?
"Der Irre ist krank. Ihn "wahnsinnig" zu nennen gilt als "laienhaft und
mißverständlich" (Pschyrembel, Stichwort "Wahnsinn"). Er gehört
in die Hand des Arztes, der ihn heilt oder sein Leiden lindert.
Bemerkenswert, wie stereotyp das versichert wird."
G.Herzog
Der "antipsychiatrischen Bewegung" in den sechziger und siebziger Jahren waren neben vieler Unterschiede
drei Kritikpunkte gemeinsam: die Kritik am naturwissenschaftlichen Krankheitsmodell, an der ärztlichen Dominanz
und der anstaltsförmigen Organisation. Sie richtete sich damit wesentlich gegen die Medizinalisierung von
abweichendem Verhalten: d.h. störendes Verhalten, das eigentlich ein soziales bzw. politisches Problem darstellt,
wird als privates, innerpsychisches definiert und den Ärzten als "Techniker der Repression und Wiederanpassung"
unterstellt. Damit wird psychisches Leid nicht an die Bedingungen seiner gesellschaftlichen Produktion rückgebunden
und politisches Eingreifen als neutrales wissenschaftliches Handeln verschleiert. Der Begriff der "Geisteskrankheit"
dient in diesem Zusammenhang als zentrales Werkzeug: Einerseits begründet er die Zuständigkeit der Medizin
(ohne Krankheit - kein Arzt); andererseits legitimiert er den gewaltsamen Zugriff (die betreffende Person ist nicht
zurechnungsfähig, da sie ihr Verhalten nicht willentlich bestimmen kann). In den USA wurde die Diskussion
um den Krankheitsbegriff angestoßen durch die Argumentation des Psychiaters Thomas Szasz (1960). Für
ihn gibt es keine "Geisteskrankheit". Der Geist kann nur krank sein im Sinne einer Metapher ("die
Wirtschaft ist krank"). Würde sich eine hirnorganische Erkrankung zeigen lassen, wäre es keine Geisteskrankheit,
sondern eine Gehirnerkrankung; zuständig wäre die Neurologie. Szasz bestreitet keineswegs die Existenz
von Wahnvorstellungen oder das Menschen daran leiden; aber dies ist für ihn keine medizinische Frage.
In der italienischen "anti-institutionellen" Bewegung um Basaglia, Pirella, Jervis, u.a. ging es vor
allem um eine Auflösung der ausgrenzenden "Verwahranstalten" und die Reintegration der "psychisch
Kranken" in die Gemeinde.
Diese "antipsychiatrische" Kritik verband sich mit der aus der Soziologie stammenden "Labeling-Theorie".
In soziologischen Untersuchungen (Scheff 1966; Goffman 1961) wurde auf die entscheidende Bedeutung der sozialen
Reaktion hingewiesen: Das Etikett "psychisch Krank" ist danach der wichtigste einzelne Faktor bei der
Konstituierung der "Geisteskrankheit als sozialer Tatsache". Zuerst handelt es sich nur um abweichendes
Verhalten bzw. Regelverletzungen. Erst wenn er als "psychisch Krank" bezeichnet wird, wird er der Rolle
entsprechend behandelt (d.h. alles was er tut, wird als Zeichen seiner Verrücktheit gedeutet) und handelt
selber entsprechend. Der Begriff "Geisteskrankheit" schafft sich seine eigene Realität und führt
zur nachträglichen Bestätigung einer nicht mehr überprüfbaren Erfindung.
Während die traditionelle Psychiatrie in Deutschland diese Kontroverse mit "Antipsychiatrie" und
"Labeling-Theorie" recht unbeeindruckt überstand (Haselbeck 1990), hatte sie auf die "Reformpsychiater"
in der sich formierenden "Sozialpsychiatrie" starken Einfluß. Der Psychiater Helmut Haselbeck stellt
zur Rezeption der Antipsychiatrie fest:
"Die Berücksichtigung biologischer Krankheitskonzepte galt fortan als rückschrittlich und konservativ.
Die diagnostische Etikettierung psychischen Leidens nach Art körperlicher Krankheiten gewann gegenüber
denen, auf die sie angewandt wurde, zur Diskriminierung. Es wurde anrüchig, psychosoziales Leiden als Krankheit
zu identifizieren, und es bedurfte allerlei Kunstfertigkeit, den Begriff "Patient" zu vermeiden. Alles
hatte so normal wie möglich zu sein...Im Rückblick fällt auf, daß der hastige Abschied von
einem biologisch geprägten Krankheitsverständnis nicht so sehr aufgrund eines theoretischen oder historischen
Diskurses stattfand, als vielmehr im Blick auf das Scheitern und die Imhumanität der damaligen psychiatrischen
Praxis." (1990, 14)
Heute verdienen die "auf dem Boden eines biologisch naturwissenschaftlichen Krankheitsverständnisses
gewonnenen Forschungen ... Respekt. Sie sollten nicht aus der Tradition mit einem konservativen Image versehen
werden." (18) Ebenso Asmus Finzen: Der Konflikt zwischen Antipsychiatrie und Sozialpsychiatrie ist für
ihn "Geschichte" (1997, 41). Die Überzeugungen von Szasz seien heute Ideen "aus einer längst
vergangenen Zeit" (46). Das Jahrzehnt der Antipsychiatrie habe zwar eine große Faszinationskraft gehabt,
es bestehe aber kein Grund, "ihm auch nur eine einzige Träne nachzuweinen" (48).
Ist ein solcher Abgesang auf die Antipsychiatrie heute gerechtfertigt? Gibt es heute eine wissenschaftlich fundierte
psychiatrische Theorie? Gibt es das Problem der "totalen Institutionen" nicht mehr? Lebt der psychisch
Kranke integriert in der Gemeinde?
Welche Kompetenzen kann die psychiatrische Theorie und Praxis zur Zeit aufweisen, um ihren "Führungsanspruch"
zu rechtfertigen? Denn dieser ist in der Praxis weiterhin unumstritten. Dörner und Plog machten 1984 eine
Feststellung, die ich eher als Frage stellen würde: "...kann der Erfolg des medizinischen Anteils der
Psychiatrie das Selbstbewußtsein der Ärzte so steigern, daß sie ihren nicht mehr gerechtfertigten
alleinigen Führungsanspruch ohne Sorge abgeben und sich gleichwertig in das psychiatrische Team einreihen
können." (478) ?
Zunächst erscheint es mir hilfreich zu untersuchen, wie die Irren überhaupt unter die ,Herrschaft’ der
Ärzte gelangt sind. In psychiatrischen Lehrbüchern gilt die Übernahme der Irren aus Gefängnissen
des 17. und 18 Jahrhunderts in medizinisch geleitete Irrenanstalten ausnahmslos als Fortschritt - sowohl in praktischer
als auch theoretischer Hinsicht. Diese geschichliche Entwicklung will ich kurz unter folgenden Fragestellungen
darstellen:
1.) Wie kam es aber zu dieser Dominanz des medizinischen Krankheitsbegriffs von Wahnsinn?
2.) Welche Veränderungen ergaben sich für die Betroffenen daraus?
2.1. Geschichtliche Entwicklung
Die Entstehung der Psychiatrie als Wissenschaft wird in Deutschland auf das beginnende 19.Jahrhundert datiert.
In der Psychiatriegeschichtsschreibung beginnt in dieser Zeit die fortschrittliche Behandlung mit der Differenzierung
der Irren aus den Arbeitshäusern und der Unterbringung in speziellen Einrichtungen. Die legendäre "Befreiung"
der Irren durch Phillipe Pinel (1745-1826) in Paris aus Gefangenschaft und Ketten gilt auch für die deutsche
Psychiatrie als Symbol des Beginns einer humaneren Behandlung der Irren. Es wird ein Bruch zwischen der "großen
Gefangenschaft" (Foucault) und den frühen Irrenhäusern festgestellt (Dörner 1984, 230) und
mit der Gründung der ersten Heilanstalt 1805 in Bayreuth und Johann Christian Reils "Rhapsodien über
die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen" von 1803 der Beginn der deutschen Psychiatrie
festgesetzt.
Wie kam es zu der "Überantwortung der Unvernünftigen an die heranwachsende medizinische Profession"?
(Haselbeck 1990, 16)
Die medizinische Profession konnte keine besonderen Erkenntnisse und keine besondere Kompetenz in diesem Bereich
aufweisen. "Es gab keine medizinische Theorie, aus der eine Behandlungstechnik der Geisteskrankheiten abzuleiten
gewesen wäre, die dadurch die Etablierung der Psychiatrie als Medizin inhaltlich begründen und den Heilungsanspruch
hätte fundieren können." (Engel 1996, 142) Auch im Bereich der Diagnostik übernahmen sie im
wesentlichen die Kriterien der Gefängnisse. In diesen wurde der Irre schon gesondert wahrgenommen, da er nicht
arbeitsfähig war und Maßnahmen der "Schwarzen Pädagogik" bei ihm nicht wirkten (155).
Selbst in Ketten und unter Folter konnte der Eigensinn nicht gebrochen und Gehorsam nicht erzwungen werden. "Die
Ärzte "entdeckten" die Irren nicht etwa unter den Gefangenen, sondern so wie sie dort wahrgenommen
wurden, übernahmen sie die Ärzte." (Herzog 1984, 105) Die Diagnosen wie "Blödsinn",
Narrheit", "fixen Wahn", "Wut", "Tobsucht", "gutmütige Narren"
oder "empfindliche Melancholiker" verdeutlichen, daß es sich um Bezeichnung von Verhalten in einer
Alltagssprache handelt. Ursula Engel zeigt in ihrer Arbeit zum Verhältnis von Psychiatrie und Pädagogik
in einer Analyse der Reilschen Curmethode, daß "die Erziehungsziele - Zucht, Ordnung, Arbeitssamkeit
- wie auch die Zuchtmittel - im wesentlichen Strafen -..." erhalten bleiben. Mit Einschränkungen "bleibt
die Psychiatrie bei Reil angewiesen auf die Pädagogik, als deren Überwindung sie sich gleichzeitig anpreist."
(1996, 165f) Betrachtet man die Foltermethoden dieser Zeit ist daran nicht zu zweifeln . Wenn nun aber weder das
Wissen um die Irren, noch die Diagnostik, noch die Therapie sich von der vorherigen Zeit wesentlich unterschied
und es um die Brechung des Willens Arbeitsunwilliger bzw. -fähiger ging, warum sollten dies nicht Pädagogen,
Geistliche, Philosophen, Juristen oder Kaufleute tun?
Der Erfolg der Irrenärzte liegt darin begründet, "daß sie die Disziplinierbarkeit des Irren
behaupteten, vor der das Gefängnis versagte." (Herzog 1984, 110) Es war der Glaube an Vernunft und Fortschritt,
der die einzig "vernüftige" Erklärung des so "unvernünftigen" Irren zuließ:
"Das Irresein selbst, ein anomales Verhalten des Vorstellens und Wollens, ist ein Symptom;...Der erste Schritt
zum Verständnis der Symptome ist ihre Lokalisation. Welches Organ muß also überall und immer notwendig
erkrankt sein, wo Irresein vorhanden ist?" Mit diesen Sätzen beginnt Wilhelm Griesinger (1817-1868) sein
Lehrbuch "Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten für Ärzte und Studierende"
1845 (zit.n.Herzog, 155) und begründet damit nach Aussage Dörners, "das erste vollständige
theoretische und praktische Paradigma der psychiatrischen Wissenschaft in Deutschland..., d.h. wodurch das vollendet
wurde, was Reil begonnen hatte,..." (1984, 288). Griesinger vermutet krankhafte Hirnprozesse als Grundlage
des Irreseins und glaubt diese in Zukunft finden zu können. "Geisteskrankheiten sind Gehirnkrankheiten."
Doch es gab keine Erkenntnisse über Körperprozesse, welche eine solche Vermutung belegen konnten. Die
Medizin insgesamt erlebte erst im 19.Jahrhundert ihren Aufschwung. Im Gegensatz zur Psychiatrie wurde sie "fündig".
Dort wo wirkliche Erkrankungen des Gehirns festgestellt wurden, die sogenannten "Sternstunden der Psychiatrie"
(Haselbeck, 1990, 16), wie z.B. bei der progressiven Paralyse, war fortan nicht mehr die Psychiatrie zuständig,
sondern die von Griesinger geschaffene Neurologie. "Das Wesen der meisten Geisteskrankheiten liegt zur Zeit
in tiefem Dunkel" (Kraepelin 1918 zit.n.Kempker 1991, 53)
Der Krankheitsbegriff war nie mehr als eine "Metapher" (Szasz 1960). Es wird eine Analogie hergestellt
zwischen den Leiden des Kranken und denen des Wahnsinnigen. Und da erstere auf eine somatische Krankheit zurückgeführt
werden konnte glaubte (und glaubt) man dieses auch beim Irrsinn tun zu können . Andrew Scull:
"...the organic methaphor, periodically reworked to bring psychiatric language into plausible correspondence
with the being models of the somatic machine that charakterize the medical mainstream, has been (as it continues
to be) of quite central importance in establishing the psychiatrists` exclusive jurisdirection over the insane,
their expertice as medical specialists, and the popular acceptance (however grudging) of that expertise."
(1989, 22).
Theoretisch wurden mit einem medizinischen Krankheitsbegriff religiöse und moralische Gründe ausgeschlossen
und pädagogische Behandlung unnötig. So beschreibt die psychiatrische Fachliteratur diesen Wandel als
"human", als "Freisprechung" vom Vorwurf der moralisch religiösen Selbstverschuldung (Haselbeck
1990, 13; Dörner/Plog 1984, 470). Griesinger fordert nach Übernahme des "Non-Restraint" des
englischen Psychiaters Conolly, "die vollständige Abschaffung mechanischer Zwangsmittel und ihre Ersetzung
durch aktiv heilende Methoden" (Dörner, 302). Ob die Ersetzung pädagogischer Strafen durch medizinische
"Heilmethoden" eine aus Sicht des Betroffenen menschlichere Behandlung beinhaltete, läßt sich
grundlegend bezweifeln.
Erstens gab es keine "aktiv heilenden" medizinischen Maßnahmen, die hätten angewandt werden
können. Der Psychiater Asmus Finzen stellte fest, daß "Erziehung und Gespräch bis in den ersten
Weltkrieg hinein die einzigen wirksamen Methoden der Behandlung psychischer Kranker sind. Die somatische Medizin
hat therapeutisch nichts zu bieten." (1996b, 65).
Zweitens waren die angewandten medizinischen Methoden nicht schmerzfreier als die Strafaktionen der Pädagogen:
Blutentziehung an den Geschlechtsteilen durch Blutegel, Schröpfköpfe (Griesinger), Ohroperationen, Schwangerschaftsabbrüche,
Giftspritzen (Kraepelin), bis hin zum Elektroschock und zur Neuroleptikabehandlung heutzutage (Lehmann 1986). Und
werden nicht auch medizinische Methoden pädagogisch eingesetzt? "Die Anweisung für den Gebrauch
offener Gewaltmittel, wie zum Beispiel Peitschen und das Anlegen von Ketten, wurde lediglich in eine medizinische
Sprache übersetzt. Sogar die üblichen medizinischen Techniken jener Zeit - wie zum Beispiel das Klistier
und der Aderlaß - dienten primär der Disziplinierung und Züchtigung der "Patienten"..."(Scull
1974, 53).
Drittens wurde der Betroffene durch die medizinische Beschreibung seelischer Vorgänge entmündigt und
objektiviert, d.h. sein Handeln wurde nur noch als Produkt biologischer Prozesse gesehen. Die Bedeutung, die der
Wahn einmal hatte, wurde ihm abgesprochen. Mit der ebenfalls von Griesinger übernommenen "Degenerationstheorie"
( Morel ) führte dieses "Entmenschlichen" letztendlich zur Vernichtung sogenannten "lebensunwerten
Lebens" - durchgeführt von Psychiatern. Und nicht etwa, weil sie bösartig oder "Nazis"
waren: Sondern weil es, wie im Falle des T4-Gutachters Carl Schneiders, die "über Leichen gehende wissenschaftliche
Gesinnung" (Klee 1983, 397) war, die nach Gehirnen "jagte", um "endlich einmal mit den alten
Vorstellungen vom Menschen Schluß machen" und mit einer "biologischen Anthropologie" beginnen
zu können (398).
Abgesehen davon ließ Griesinger nach Auffassung Herzogs, "die gewalttätigen Methoden aus der älteren
Psychiatrie sehr weitgehend gelten" (1984, 171).
Doch nicht nur therapeutisch hat die medizinische Psychiatrie "nichts zu bieten", sondern auch im Bereich
der Diagnostik unterscheidet sie sich nicht grundlegend von alten Konzepten. Gunther Herzog zeigt, für Griesinger
wie auch für Kraepelin, daß nicht eine "Differenzierung nach Maßgabe erwiesener oder wahrscheinlicher
organischer Erkrankungen [] das leitende Prinzip [ist], sondern der Ausprägungsgrad von Auffälligkeit"(158).
"Die Falschheit des Vorstellens und Wollens ist das zentrale psychische Korrelat der Erkrankung, an dem sie
ihre Symptome zeigt."(159) Die Diagnose beruht also auf einem Urteil und nicht auf festgestellten Körperprozessen.
Selbst Eugen Bleuler, der Schöpfer des Schizophrenie-Begriffs, stellte 1919 fest: " Der Begriff der Geisteskrankheiten
ist eben kein medizinischer, sondern ein sozialer. Geisteskrankheiten sind ursprünglich Abweichungen von der
geistigen Norm, die ihren Träger sozial untüchtig machen oder ihm erhebliche Schwierigkeiten bereiten."
(zit.n.Finzen 1996b, 64).
Zusammenfassend lassen sich die Eingangs gestellten Fragen folgendermaßen beantworten:
1.) Wie kam es aber zu dieser Dominanz des medizinischen Krankheitsbegriffs von Wahnsinn?
In der psychiatrischen Literatur werden meist drei Gründe genannt:
- eine seit der Antike immer wieder geübte, im 16. bis 18.Jahrhundert aber verlorengegangene Beschreibung
des Wahnsinns als Krankheit;
- der Aufschwung der Medizin als Naturwissenschaft, der ihr gegenüber der traditionell dominierenden Philosophie
eine wachsende Geltung verschaffte;
- die plausibel erscheinende Rückführung der progressiven Paralyse, der in den Irrenanstalten damals
vielleicht häufigsten Krankheit, als selbständige Geisteskrankheit auf eine anatomisch nachweisbare chronische
Meningitis (Bruns 1993, 216)
Die Etablierung des Krankheitsbegriffs baut also nicht auf der Entdeckung neuer Erkenntnisse über das Irresein,
sondern auf dem Glauben an diese. Im Zeitalter der Vernunft bedurfte es einer "vernünftigen" Erklärung
des Wahnsinns. Diese war nur von den Naturwissenschaften zu erwarten - nicht von der Pädagogik, der Philosophie
oder der Religion. Der Wahnsinn wurde durch die medizinische Wisenschaft "erklärbar". Etwas das
"erklärbar ist", kann man auch eher behandeln. Somit war meiner Ansicht nach das Entscheidende,
die Funktionalität der Psychiatrie als medizinische Wissenschaft. Dazu Robert Castel:
"Die Psychiatrie ist eine politische Wissenschaft, denn sie hat ein Verwaltungsproblem gelöst. Sie hat
den Wahnsinn zum Verwaltungsobjekt gemacht. Aber sie hat, indem sie eine Lösung bot, die daraus eine "rein"
technische Frage machte, den unmittelbaren Druck des Problems abgewälzt. Durch die Medizin ist der Wahnsinn
"verwaltbar" geworden - und wenn es Repression gibt, so liegt sie hierin." (1976, 21) .
2.) Welche Veränderungen ergaben sich für die Betroffenen daraus?
Der Wechsel von einer religiös/pädagogischen zu einer medizinischen Behandlung stellte für die Betroffenen
keinen Fortschritt im Sinne einer humaneren Behandlung dar. Foucault bezeichnet die Konstituierung des Wahnsinns
als Geisteskrankheit als Abbruch des gesellschaftlichen Dialogs mit dem Wahnsinn (1961). Den Wahngehalten wurde
jede Bedeutung abgeprochen. Die Irren wurden zu einem gänzlich objektivierbaren Forschungsgegenstand. Die
Greueltaten, welche die Mediziner in den letzten beiden Jahrhunderte an den Irren begangen haben, lassen eine positive
Beurteilung schwerlich zu. Wenn Dörner und Plog die in den dreiziger Jahren beginnende "Schock-Ära"
(Elektro-Schock, Insulin-Koma-Schock) als "die erste einigermaßen erfolgreiche Therapie" für
endogene Psychosen bezeichnen (1984, 477), zeigt dies nur die ‘naiv-zynische’ innere Überzeugung, daß
medizinisches Handeln nicht schlecht/böse sein kann.
2.2. Diagnostik
"Früher diagnostizierten die Ärzte Krankheiten, die sie nicht behandeln konnten;
jetzt behandeln sie Krankheiten, die sie nicht diagnostizieren können."
T.S. Szasz
In den einleitenden Kapiteln von Psychiatrielehrbüchern wird bei der Definition von Psychiatrie immer darauf
hingewiesen, daß Psychiatrie ein Teil der Medizin ist und nicht etwa ein "reines Psychofach" (Möller
1996, 17), das sich nur auf Psychologie und Psychopathologie gründet (Tölle 199, 3). Dieser Hinweis scheint
notwendig, da sonst Medizinstudenten denken könnten, sie haben das falsche Buch in der Hand. Denn soviel psychologischem
Wissen sind sie wahrscheinlich im ganzen Studium nicht begegnet. Tölle z.B. stellt acht Methoden der Psychiatrie
da, von denen lediglich die zwei letzten (neurobiologische Methoden und Genetik) als nicht psychologisch, sondern
als medizinisch bezeichnet werden können (7-14). Welche Kompetenzen benötigt man, um "psychische
Krankheit" festzustellen? Am Beispiel der "bedeutensten psychischen Krankheit", der Schizophrenie,
werde ich die Diagnostik an Hand des ICD-10 darstellen.
Das ICD-10 (Tenth Revision of the International Classifikation of Diseases) ist das zur Zeit aktuelle Diagnoseschema
der WHO. Im Vergleich zu den älteren Fassungen wurde ein grundlegender Wandel vollzogen und drei neue Prinzipien
integriert:
1.) Der Versuch der älteren Systeme, eine ätiologisch fundierte Diagnostik zu ermöglichen, wurde
aufgegeben. Da "die meisten psychiatrischen Krankheitsentitäten ätiologisch und somit nosologisch
nicht klar beschreibbar sind"(Dilling 1998, 40) und man einen "Schulenstreit" vemeiden will, versucht
man nun in der operationalen Diagnostik, "unabhängig von der Ätiologie einer Störung, deskriptiv
vorzugehen" (37). D.h. man definiert nur noch Symptome und versucht nicht mehr ihre Ursachen zu erklären.
In Folge dieser Entwicklung spricht das ICD-10 nicht mehr von "psychischen Krankheiten", sondern nur
noch von "psychischen Störungen".
2.) Nach dem Prinzip der Komorbidität können so viele Diagnosen erstellt werden, wie zur Beschreibung
des Patienten erforderlich.
3.) In Anlehnung an das DSM-III wurde das ICD-10 ebenfalls multiaxial konzipiert, d.h. neben der psychiatrischen
Diagnose als Achse I führte man die Beschreibung für den Grad der sozialen Anpassung oder Behinderung
als Achse II und für psychosoziale und Umweltfaktoren als Achse III ein.
2.2.1. Schizophrenie nach dem ICD-10
Allgemein gilt: "Die schizophrenen Störungen sind im allgemeinen durch grundlegende und charakteristische
Störungen von Denken und Wahrnehmung sowie inadäquate oder verflachte Affektivität gekennzeichnet.
Die Klarheit des Bewußtseins und die intellektuellen Fähigkeiten sind in der Regel nicht beeinträchtigt."
(103) Als Symptomgruppen werden festgelegt:
Gedankenlautwerden; Kontrollwahn; kommentierende oder dialogische Stimmen; anhaltender, kulturell unangemessener
oder völlig unrealistischer (bizarrer) Wahn;
Gedankenabreißen oder Einschiebungen in den Gedankenfluß; katatone Symptome, wie Erregung, Haltungsstereotypen;
negative Symptome wie auffällige Apathie, Sprachverarmung, verflachte oder inadäquate Affekte, zumeist
mit sozialem Rückzug und verminderter sozialer Leistungsfähigkeit; eine eindeutige und durchgängige
Veränderung bestimmter umfassender Aspekte des Verhaltens der betreffenden Person, die sich in Ziellosigkeit,
Trägheit, einer in sich selbst verlorenen Haltung und sozialem Rückzug manifestiert.
Diese Symptome werden zu verschiedenen Diagnosen zusammengefaßt. Die drei wesentlichen gehen auf Kraepelin
zurück: die paranoide (Wahnvorstellungen, Stimmenhören, Halluzinationen), die hebephrene (flache und
unpassende Stimmung; ungeordnetes Denken; Verhalten ist ziellos und ohne Empfindung) und die katatone (psychomotorische
Störungen zwischen Erregung und Stupor) Schizophrenie. Weitere Formen sind die "undifferenzierte Schizophrenie",
die "postschizophrene Depression", das "schizophrene Residuum", die "Schizophrenia simplex",
die "sonstige Schizophrenie" und die "nicht näher bezeichnete Schizophrenie".
Erforderlich für die Diagnose Schizophrenie ist mindestens ein eindeutiges Symptom (zwei oder mehr, wenn weniger
eindeutig) der obengenannten Gruppen 1-4 oder mindestens zwei Symptome der Gruppen 5-8. Diese Symptome müssen
fast ständig während eines Monats oder länger deutlich vorhanden gewesen sein. (105)
Die Diagnose ergibt sich aus einem Gespräch des Arztes mit dem Patienten (30-45min). Medizinische Untersuchungen
dienen allein der Differentialdiagnose, d.h. sie sollen ausschließen, daß es sich um eine "organische
psychische Störung", wie z.B. Alzheimer, Epilepsie oder "drogeninduzierte Psychosen" handelt.
Die Beobachtung im Gespräch ist die einzige angewandte Methode psychiatrischer Diagnostik. Sie gibt "das
Verhalten, das der Arzt beobachtet, und das Erleben, von dem der Patient berichtet"(Tölle 20), wieder.
Schizophrenie läßt sich nicht durch Körperuntersuchungen diagnostizieren. Es ist sogar ausdrücklich
festgehalten: bei "...eindeutiger Gehirnerkrankung...soll keine Schizophrenie diagnostiziert werden."(
Dilling,u.a. 1993, 105f)
2.2.2 Kritik der Diagnostik
Die Kritik an der psychiatrischen Diagnostik bezieht sich auf zwei Bereiche:
auf die Diagnoseerstellung und auf die Folgen der Diagnose.
2.2.2.1. Probleme der psychiatrischen Diagnostik
Erstens handelt es sich bei psychiatrischer Diagnostik immer um ein Urteil: "Was man mit Geisteskrankheiten
bezeichnet, sind vor allem und in erster Linie Zusammenstellungen von Urteilen über für "typisch"
gehaltene Verhaltensweisen..., die mit einem methodologisch fragwürdigen Verfahren zu Krankheitsbildern, d.h.
zu einem Ersatz für "Krankheiten" körperlicher Art, gemacht werden."(Jervis 1975, 80)
Aber in "...Wirklichkeit kann man auf keine Weise klar und objektiv unterscheiden, wer wahnsinnig ist und
wer nicht." (Jervis 1975, 80)" Eine Äußerung einer Person wie "Ich bin Napoleon"
wird nur dann als Symptom einer "psychischen Krankheit" angesehen, wenn der Beobachter davon überzeugt
ist, daß dieser es nicht ist. Hinter diesem Urteil verbirgt sich ein Vergleich bzw. eine Gegenüberstellung
der Ideen, Vorstellungen und Überzeugungen des Patienten mit denen des Beobachters und der Gesellschaft (Szasz
1963, 25). Nun kann man einwenden, daß auch somatische Krankheiten Urteile sind, bzw. "kulturell bestimmte
Konstruktionsleistungen" (Keupp 1990, 79). Nur in der Somatik beurteilt man im wesentlichen Körperprozesse,
während in der Psychiatrie Aussagen bzw. Bedeutungen beurteilt werden. Wenn also Psychiater in totalitären
Staaten bei politischen Widerstandskämpfern "Geisteskrankheit" diagnostizieren, machen sie prinzipiell
nichts anderes. Beim Vorliegen bestimmter Verhaltensweisen erfolgt die Definition "psychisch Krank".
Wenn jemand sagt, "Ausländer raus" gilt er als "rechts", "Ich hab null Bock"
als "Punk", "Ich höre Stimmen" als "psychisch krank".
Der totale Verzicht auf ätiologische Aspekte in der descriptiven Diagnostik bedeutet, daß medizinisches
Wissen bei der Diagnose psychischer Störungen vollkommen nutzlos geworden ist. Die Anwesenheit von Medizinern
ist demnach nicht nötig.
Da es sich um ein Urteil handelt ist es nicht verwunderlich, daß eine hohe Genauigkeit der Diagnose (Reliabilität)
nicht gegeben ist. Bei einem Treffen internationaler Schizophrenieforscher sollten die Teilnehmer nach der Filmvorführung
eines Patienteninterviews die Diagnose erstellen: Erst nachdem "...sich bei jeder aufgerufenen diagnostischen
Kategorie einige von uns meldeten, merkten wir, daß wir eigentlich gar nicht wußten, was die Kollegen
unter einer bestimmten Diagnose verstanden" (Strauss 1992, 17). Eine Analyse der Diagnoseübereinstimmungen
zweier Krankenhäuser zeigte, Daß lediglich 55% Der Diagnosen bei den Patienten übereinstimmten
(Pfannkuch 1997, 174). Dilling weist sogar gesondert auf die Gefahr hin, "...daß unsere diagnostischen
Konventionen, die ja möglicherweise auch eine Fehleinschätzung darstellen können, wie naturwissenschaftliche
Fakten behandelt werden, denen gegenüber jede Kritik zu schweigen hat" (1988, 39).
Das Rosenhan-Experiment "On being sane in insane places" zeigte, daß Psychiater weder bei der Aufnahme,
noch nach der Aufnahme unterscheiden konnten, ob es sich um einen psychisch Kranken oder Gesunden handelte . Soziologische
Untersuchungen belegten, daß psychiatrische Grundannahmen, wie z.B. "Wären sie nicht krank, dann
wären sie nicht in der Klinik" (Goffman) oder "In Zweifelsfällen weiterhin Krankheit annehmen"
(Scheff, 93), im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung (Watzlawick) dazu führen, den Psychiater
auch dann etwas krankhaftes vermuten zu lassen, wenn keine Symtome vorhanden sind (z.B. "er wußte seine
Symptome perfekt zu verstecken"). Keupp weist darauf hin, daß "...Klinikpsychiater bei Personen,
die in die Klinik eingeliefert werden, fast immer eine psychiatrische Diagnose stellen"(1994, 57).
Grund dafür ist neben der medizinischen Ausbildung auch, daß Psychiater "psychisch Kranke"
meist nur behandeln, wenn sie "krank" sind: nämlich in der Klinik; obwohl sich der weit überwiegende
Teil der "psychisch Kranken" außerhalb der Institution befindet (Uchtenhagen 1993, 180). Dies verstärkt
die sowieso schon auf die "kranken" Teile der Person ausgerichtete medizinische Wahrnehmung.
Zusammenfassend läßt sich erstens feststellen, daß bei der psychiatrischen Diagnosestellung die
medizinische Profession nicht notwendig ist. Zweitens bezieht sich die Unterteilung "psychisch gesund"
- "psychisch krank" nur auf die Beurteilung des Erlebens und Verhaltens einer Person. Ob jemand Stimmen
hört oder nicht ist nicht objektiv feststellbar. Es ist eine subjektive Empfindung einer Person; genauso wie
Liebe, Hass oder der Glaube an politische Ideen. Die Kategorie "Stimmenhörer" unterscheidet sich
nicht von Kategorien wie "Christ", "Punk" oder "Kommunist". Die Folge der Diagnose
ist jedoch ungleich schwerer.
2.2.2.1. Die Bedeutung der Diagnose
Die Diagnose "psychisch Krank" wirkt sich auf verschiedenen Ebenen aus:
1.) das Selbstverständnis des Betroffenen
In einer neuen Studie über "Krankheitseinsicht und Identität" stellte Klaus Leferink nicht
"das Fehlen der Einsicht, sondern das Fluktuieren zwischen gegensätzlichen Positionen" (1997, 235)
fest: "Von einem Moment zum nächsten können Untersuchungsteilnehmer, die eben noch ein deutliches
Verständnis ihrer Situation zu manifestieren schienen, zu dem Schluß kommen, daß ihnen "nichts
fehlt" und "eigentlich nichts ist"(237) Er erklärt dieses mit dem doppelten Zugang, den Betroffene
zu ihrer Krankheit haben: von "innen", auf dem Weg über das psychotische Erleben, und von "außen",
durch die Selbstbeobachtung bestimmter Symptome. "Das, was als Krankheitszeichen oder als psychisches Problem
konstituiert werden müßte, kann nicht als solches interpretiert werden, solange es innerlich "Bedeutung
für mich" hat. Die Anerkennung des Krankseins würde ferner das Eingeständnis der eigenen Bedeutungslosigkeit
mit sich bringen." (252)
Den Versuch der Professionellen, den Betroffenen zur Krankheitseinsicht zu bewegen, könnte man somit als einen
Angriff auf die Person werten. Wenn er sich dieser "Einsicht" hartnäckig widersetzt, was dann als
"chronisch Krank" bzw. "therapieresistent" gilt, ist dieses ein Zeichen seiner Widerstandskraft
und seines Versuches, sich selbst zu verteidigen. In diesem Bereich ist die Psychiatrie zutiefst pädagogisch:
Ihr erklärtes Ziel ist, daß die Person sich selbst als krank ansieht, und ihre bisherige Überzeugung,
wie z.B. "Ich bin Jesus" als falsch bewertet und zu einer "richtigen Weltsicht" gelangt. Was
kann es aber wertvolleres geben, als von Gott auserwählt zu sein, auch wenn dieses z.B. zu einem leidvollen
Leben auf der Straße führt? D.h. bei ,erfolgreicher Behandlung’ wird der Betroffene seiner wertvollen
Selbsteinschätzung (zum Teil gewaltsam) beraubt und mit einem zerstückelten Selbstbild versehen. Für
Thilo von Trotha stellt es die "Geburt des psychisch Kranken aus dem Geiste der Psychiatrie" (1995) dar.
Der Schizophrene wird erst durch die Annahme der Krankheit gespalten; schließlich muß er jetzt mit
seinem kranken und gesunden Geist leben: "Mit der Anerkennung der Diagnose und der Überzeugung, daß
er von nun an zu sich selbst ein therapeutisches - und das heißt wesentlich entfremdetes - Verhältnis
zu unterhalten habe, vollzieht er die Verwüstungen der psychiatrischen Unterdrückung seiner innersten,
wenngleich "Verrückt" hervorbrechenden Bedürfnisse von sich aus zum zweiten Mal."(ebd.)
Den empirisch belegten Widerstand (Vgl. Leferink 1997), den die Betroffenen gegen die Annahme des Krankheitsbegriffs
aufbringen, erklärt sich für mich aus dieser Angst vor Zersplitterung und der Angst vor Bedeutungslosigkeit.
Er ist somit Ausdruck der ‘gesunden’ Anteile der Person.
2.) die Behandlungssituation
Zu Beginn des 19.Jahrhunderts mußte Wahnsinn ausschließlich als Krankheit definiert werden, um der
alleinigen Behandlung durch die medizinische Profession anheimfallen zu können (Scull 1974, 54). Ohne Krankheit
- kein Patient; ohne Patient - keine Notwendigkeit für einen Arzt . Dies gilt auch heute noch. Zweitens wird
von dem Patienten automatisch ein bestimmtes Verhalten verlangt. Dazu der Schweizer Psychiater Theodor Spoerri:
"Der Status des Kranken verpflichtet ihn, sich den ärztlichen Anforderungen zu fügen und Genesungswillen
zu haben." (zit.n.Lehmann 1986, 11).
Krank zu sein, bedeutet in der Psychiatrie etwas ganz anderes als in der übrigen Medizin. Es rechtfertigt
die Zwangseinweisung und Zwangsbehandlung. Was der Psychiater als notwendige Maßnahme betrachtet, kann gegen
den Willen des Betroffenen durchgesetzt werden. Aus psychiatrischer Sicht gelten die Einsicht des Betroffenen,
daß es sich um eine Krankheit handelt und der Versuch, diese in die Gesamtpersönlichkeit zu integrieren,
als Zeichen der "Gesundung", und lassen eine günstigere Prognose zu. Mangelnde Einsicht gilt als
Symptom. Griesinger formuliert 1861: "Das wichtigste Merkmal wahrer Genesung ist...die entschiedene Anerkennung
der Krankheit..." (Herzog 169). Der wirklich Genesene "zeigt fast immer Dankbarkeit und Vertrauen, ...und
legt seine Entlassung aus der Irrenanstalt ohne drängende Forderungen in das Ermessen des Arztes." (ebd.).
Heute wird die Krankheitseinsicht besonders in Bezug auf Medikamenteneinnahme beachtet. Personen mit Krankheitseinsicht
zeigen eine höhere Bereitschaft, Medikamente einzunehmen und sich nach der stationären Behandlung an
die ärzlichen Vorgaben zu halten. So wird heute verstärkt die Selbsteinschätzung des Betroffenen
beachtet. Diese Frage nach den Bewältigungsstrategien bzw. den vorhandenen Handlungskompetenzen ist aber allein
auf eine effektivere psychiatrische Behandlung ausgerichtet. Solange diese der Vorstellung des Psychiaters nicht
widersprechen, sind sie erwünscht und Zeichen der Gesundung; sobald sie widersprechen, gelten sie als Anzeichen
einer neuen Erkrankung und müssen mit mehr Medikamenten behandelt werden. Solange die Vorstellung zugrunde
liegt, die Aussage z.B."Ich bin Jesus" sei ein Symptom psychischer Krankheit, wird dem Betroffenen die
Patientenrolle zugeteilt, und damit die Rolle des zu manipulierenden bzw. zu heilenden.
Während es für Psychiater (nach eigener Einschätzung) noch möglich ist zu sagen, wann jemand
krank ist, ist es viel schwieriger zu beurteilen, wann die Person wieder gesund ist. Schließlich können
(im Gegensatz zur somatischen Medizin) weder bestimmte organische Zustände zu Hilfe genommen werden, noch
kann man dem Empfinden der Betroffenen glauben. Denn dieser fühlte sich als Jesus sicherlich auch sehr gut.
Der Verrückte kann lügen, die Wahrheit sagen oder schweigen .
3.) als psychisch Kranker in der Gesellschaft
Ein wichtiges Ziel der Psychiatrie-Reformer war die Gleichstellung des psychisch Kranken mit den somatisch Kranken
. Einerseits aus finanziellen Gründen; andererseits wollte man durch die Anerkennung als "ganz normale
Krankheit", die bestehende Angst vor "Geisteskranken" nehmen, die Integration in die Gemeinde ermöglichen
und die Diskriminierung beseitigen. Dieser Versuch, den so befremdlichen Wahnsinn zu rationalisieren, also vernünftig
zu erklären, ist gescheitert (Vgl.Leferink 1997, 249). Die Ausgrenzung ist geblieben und die Vorurteile konnten
nicht vermindert werden.
Von Psychiatern wird beklagt, daß eine gemeindenahe Versorgung auch eine "Gemeinde braucht, die sich
sorgt" (Rössler zit.n.Finzen 1995). "Wo bleibt eigentlich die begeisterte Gemeinde?" fragt
Renate Schernus (zit.n. Eichenbrenner 1997b, 35). Die "Gemeinde" wurde schließlich überhaupt
nicht geragt, ob sie "ihr" psychisches Leid zurück haben wollte.
Während Psychiater einerseits das Vorurteil des "gefährlichen Irren" immer wieder beklagen,
welches die öffentliche Meinung prägt (z.B.Finzen 1995; Tölle 1996), wird dieses gerade durch die
Institution Psychiatrie bestätigt. Denn wozu braucht man geschlossene Stationen, wozu Gesetze, die Zwangseinweisungen
regeln? Doch nicht nur die Institution, die ja dem Gefängnis so ähnelt, indem schließlich Verbrecher
untergebracht sind, zeugt von der Gefährlichkeit der Irren. Es ist die psychiatrische Ideologie, die diese
immer wieder bestätigt. Für Asmus Finzen z.B. scheint es kein Widerspruch zu sein, immer wieder zu predigen,
daß "psychisch Kranke" nicht gefährlicher seien als die Normalbevölkerung, und andererseits
Kritikern der Psychiatrie immer wieder vorzuhalten, wenn es diese nicht gebe, würden die "psychisch Kranken"
in Gefängnissen landen (1973, 126; 1997).
Es ist der Krankheitsbegriff, der die ‘natürliche’ Befremdung, die ein verrückter Mensch in vielen auslöst,
in eine wissenschaftliche Tatsache umwandelt: Der Verrückte kann sein Handeln nicht willentlich steuern und
ist deshalb unberechenbar - somit auch gefährlich.
Psychiater wollen scheinbar nicht wissen, "...daß die Anwendung von Konstrukten durch das Gewicht gesellschaftlich
legitimierter Institutionen und Professionen auch Realtitäten herstellen und verändern."(Keupp 1990,
78).
Ohne Frage gibt es eine Ausgrenzung auch ohne psychiatrischen Krankheitsbegriff. Wir leben nicht in einer solch
toleranten Gesellschaft, in der "fremdartiges Verhalten" akzeptiert wird. Die These von Wienberg, daß
"Gewalt gegen psychisch kranke Menschen vor und unabhängig von psychiatrischen Institutionen existiert"
ist zweiffelos richtig (1997, 16). Daraus aber zu schließen, sie sollte dann "besser durch die Psychiatrie
ausgeübt werden, die ja eine öffentliche Institution ist, als in irgendwelchen nicht-öffentlichen
Bereichen"(ebd.) halte ich für fatal: Sollte man Ausländer auch lieber internieren, um sie vor der
täglichen Gewalt auf der Straße zu beschützen?
Heute werden "psychisch Kranke" in den Medien als Gewalt- und Triebtäter dargestellt; vor allem
sexueller Mißbrauch und Mord an Kindern wird mit ihnen in der Öffentlichkeit verbunden. Bürgerwehren
und "Scheiterhaufen" sind Ausdruck des "Volkszorns", wenn Politiker beschließen, gerade
in ihrer Stadt forensischer Abteilungen bauen zu wollen. Somit hat die Diagnose (neben den psychiatrischen Zwangbehandlungen)
einschneidende Wirkung auf das Umfeld des Betroffenen.
Mit welchen Erkenntnissen rechtfertigt die Psychiatrie nun diese schwerwiegende Intervention?
2.3. Ätiologie
"Wenn die Gestalt des Arztes den Wahnsinn einkreisen kann,
bedeutet das nicht, daß er ihn kennt, sondern, daß er ihn bezähmt."
M. Foucault
"Die Kranken haben Anspruch darauf, zu erfahren, was mit ihnen los ist." (1996a, 16) schreibt Finzen.
Er stellt dann jedoch fest: "Bis heute weiß niemand, wie die Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis
entstehen. Die Ursachen liegen weitgehend im Dunkeln." (17) Den heutigen Stand der Forschung faßt er
folgendermaßen zusammen: "Menschen, die schizophren erkranken, sind empfindsamer gegenüber Innen-
und Außenreizen. Sie sind verletzlicher als andere durch Belastungen aus der sozialen Umgebung, durch die
psychischen Wirkungen körperlicher Erkrankungen, durch eigene innere Konflíkte."
Eine genetisch bedingte Vulnerabilität der Erkrankung basiert auf Familien-, Zwillings- und Adoptivstudien.
Danach läßt sich eine genetische Disposition "gut sichern" (Möller 1996, 128): Bei Erkrankung
beider Elternteile steigt das Risiko für die Kinder auf 40%. Bei eineiigen Zwillingen liegt es bei ca. 50%,
bei zweieiigen Zwillingen bei ca. 15%. Adoptionsstudien zeigen, daß das Risiko, an einer Schizophrenie zu
erkranken, größer ist für die Adoptierten, die von "schizophrenen Eltern" stammen, als
für Adoptierte, die bei "schizophrenen Adoptiveltern" aufgewachsen sind (ebd.). Eine neuere finnische
Studie behauptet dagegen wieder eine wesentliche Wirkung der umweltbedingten Faktoren auf die Erkrankung (Tienari
1992). Eine genaue Lokalisation des "schizophrenen Gens" ist bisher noch nicht gelungen.
In der biochemische Forschung galt lange die Dopaminhypothese als Erklärung der Schizophrenie. Danach sollte
ein Überschuß des Botenstoffs Dopamin oder eine Überaktivität zentralnervöser dopaminerger
Strukturen im mesolimbischen System die schiozophrenen Symptome verursachen. Gänzlich unklar bleibt dabei
jedoch, ob diese Vorgänge als Folge oder Ursache der Symptome zu verstehen sind. Ein anderes Problem stellt
die Tatsache dar, daß "... der Einfluß einer vorgängigen medikamentösen Behandlung auf
biologische Parameter kaum überbewertet werden kann" (Merlo 1996, 74).So stellten bei vier Studien mit
ersterkrankten, nichtmedizinierten Patienten, nur eine Studie eine allgemeine Erhöhung der D2-Rezeptordichte
fest.(76)
Das wichtigste Argument ist die Wirksamkeit der Neuroleptika, die Dopamin-D2-Antagonisten sind; d.h. sie blockieren
das D2-Rezeptor-System. Die Wirkung bestand in einem Abschwächen der Symptome. Da die antipsychotische Wirkung
jedoch erst nach zwei bis vier Wochen auftritt, während die Blockade des D2-Rezeptors keine drei Stunden dauert,
folgert der Schweitzer Psychiater Merlo: "Diese Blockade kann also nicht in direktem Zusammenhang mit der
klinisch erkennbaren antipsychotischen Wirkung stehen." (79) Und für Finzen stellt die Vermehrung des
Neurotransmitters Dopamin im Gehirn allenfalls ein Symptom dar; nicht aber die Ursache der Krankheit (1996a, 18).
Da es zur Zeit nicht belegbar ist, daß bestimmte biochemische Vorgänge mit bestimmten schizophrenen
Symptomen in kausaler Verbindung stehen, kann auch die Genforschung keine Aussage darüber machen, ob es sich
beim Stimmenhören um einen körperlichen Prozeß handelt, da sie nur die Häufigkeit bestimmter
Verhaltensweisen messen kann. Wenn z.B. 50% der Kinder eines Psychiaterehepaares, ebenfalls den Beruf des Psychiaters
wählen würden, kann man daraus folgern, daß die Berufswahl Psychiater aufgrund einer genetischen
Disposition erfolgt? Meines Erachtens ist es ein grundlegender Fehlschluß, aus den beiden Annahmen - nur
Körperkonstitutionen sind vererbbar; ein gehäuftes Vorkommen einer elterlichen Verhaltensweise bei Kindern
- zu schließen, daß diese Verhaltensweisen eine biologische Grundlage haben.
Selbst wenn man ein Schiozophrenie verursachendes Gen entdecken und isolieren könnte, klärt sich nicht
die Frage, wie man damit umgehen sollte. Schließlich sind die "schizophrenen Erlebnisse" vielen
Betroffenen sehr wichtig. Was nützt es ein Gen zu finden, welches Homosexualität bedingt? Will man den
Eltern die Möglichkeit geben, die sexuellen Neigungen ihres Kindes zu bestimmen? Im Sommer 1994 entdeckte
der amerikanische Wissenschaftler John Wasmuth das sogenannte "Zwergen-Gen" ("Achondroplasie"),
welches Kleinwüchsigkeit verursacht (Spiegel 1995). Bei genau diesen Kleinwüchsigen löste diese
Entdeckung verständlicherweise großes Entsetzen aus: "Verdammt, die werden uns ausrotten";
denn mit pränatalen Tests läßt sich dieses Gen nachweisen und eine Abtreibung begründen. Die
Zwerge werden damit zu "unerwünschten Menschen" erklärt, obwohl sie sich selbst als einen "wichtigen
Teil der Menschheit" ansehen: "Wir sind nicht behindert - wir werden nur behindert." Und zwar von
den "Standardmenschen".
Die Genforschung liefert in Bezug auf die Schizophrenie weder einen Beweis, daß es sich um eine Krankheit
handelt, noch eröffnet sie Wege einer Behandlung, die sich von dem Vorwurf der "Fortsetzung eugenischer
Politik der Nationalsozialisten mit anderen Mitteln" (Klee 1997) freimachen kann.
Da eine alleinige Verursachung durch Erbanlagen nicht bewiesen werden kann, gehen Psychiater zur Zeit von einer
multifaktoriellen Verursachung aus. Das auf Zubin&Wing
1977 zurückgehende "Vulnerabilitätsmodell" behauptet, daß zur oben genannten bio-genetischen
Disposition, psychosoziale Faktoren hinzukommen, die bei manchen zu einer erhöhten Vulnerabilität (Verletzlichkeit)
führen :
- Familien in denen eine erhöhte kritische Emotionalität ("expressed-emotion") und/oder überprotektive
Einstellung gegenüber dem Erkrankten vorherrscht;
- besonders schwerwiegende Lebensereignisse ("Live-event");
- die eigenen psychische Bewältigungsstrategien (Coping-Verhalten);
- Störung der Informationsaufnahme (Beeinträchtigung der Reizerkennung und -speicherung und der erhöhten
Ablenkbarkeit bei der Informationsaufnahme)
- soziale Kompetenzen;
- Zugehörigkeit zu unteren sozialen Schichten.
Ist die betreffende Person einem besonderen Streß, im Sinne einer tiefgehenden innerseelischen Belastung,
ausgesetzt, und führt dieser Mangels nötiger Bewältigungs- und Abwehrmechanismen zur Überlastung
bzw. Reizüberflutung, kann es zu einer Erkrankung kommen.
Das entscheidende an diesem Modell ist die multifaktorielle Ausrichtung. Schizophrenie kann selbst von Psychiatern
nur noch als eine Anhäufung verschiedener Verdachtsmomente beschrieben werden, denn eine differenzierte Beschreibung
der Verursachung ist nicht möglich. Die Aufnahme psychosozialer Faktoren in das ehemals genetisch/biologisch
bestimmte Modell, führt so zu einer fragwürdigen Aussagekraft dieses Modells: Es bleibt kein Erklärungsmodell
einer Krankheit oder einer Anomalie mehr, sondern begründet (etwas übertrieben) jede menschliche Verhaltensweise.
Ob ich koche, mich in blonde Frauen verliebe oder als Skinhead Asylbewerberheime in Brand setze - alles läßt
sich mit dem Vulnerabilitätskonzept erklären. Aber eine Theorie, die alles aussagt, sagt nicht aus.
Fritz Simon beschreibt diese "Theoriearmut":
"Die gleichzeitige, parallele Anwendung aller drei Modelle (biologisch, psychodynamisch und sozial) ist auf
der anderen Seite aber auch problematisch, da sie ebenfalls die Beliebigkeit und Nicht-Falsifizierbarkeit der Hypothesen
zur Folge haben kann. Das Muster "multikausaler" Argumentation ist üblicherweise: Wann immer z.B.
eine soziale, kommunikative Hypothese in der Behandlung eines Patienten mit Hilfe einer sozialen Intervention überprüft
wird, kann ihr Versagen unter Bezug auf biologische Faktoren geleugnet werden. Prozesse im biologischen Phänomenbereich
dienen dann häufig dazu, dem Resultat einer sozialen Intervention seine soziale Bedeutung zu nehmen."
(1992).
Was sich aus diesen "unspezifischen sozialpsychiatrischen Weisheiten ableiten läßt, sind lediglich
unspezifische Maßnahmen...."(ebd).
2.4. Therapie
"Wer aber einen Narren klug zu machen gedenkt, wäschet einen Mohren."
I. Kant
"Schizophrene Psychosen sind entgegen dem weit verbreiteten Vorurteil gut behandelbar. Sie sind durch Therapie
nicht heilbar, so wie Zuckerkrankheit nicht heilbar ist. Aber ihre Symptome sind gut zu beeinflussen, oft ganz
zu beseitigen." (Finzen 1996a, 19). Bei Langzeituntersuchungen ergab sich bei der Hälfte bis zu zwei
Dritteln der untersuchten Patienten eine deutliche Besserung oder Heilung (Harding 1992).
Die Behandlung mit Neuroleptika ist die häufigste und wichtigste Therapie in der Psychiatrie. Die genaue Wirkungsweise
ist unbekannt. Deshalb können sie auch nur sehr unspezifisch eingesetzt werden: "Ihr klinisch-therapeutischer
Effekt beruht auf ihrer dämpfenden Wirkung auf psychomotorische Erregtheit, Aggressivität, affektive
Spannung, psychotische Sinnestäuschungen, psychotisches Wahndenken, katatone Verhaltensstörungen und
schizophrene Ich-Störungen." (Möller 1996, 468) Als Indikation reichen z.B. "Erregungs-zustände
jeglicher Genese" (469) aus. "Die Dauer der Behandlung orientiert sich zunächst an der Veränderung
der Symptomatik." (470). Je nach Erfolg der Therapie werden verschiedene Medikamente, Dosierungen und Mischungen
ausprobiert. In Lehrbüchern wird warnend darauf hingewiesen, daß in der Praxis deutlich zu viel verschrieben
wird.
Die Entdeckung der Pychopharmaka gilt als "Revolution" in der Psychiatrie. Erst mit ihrer Anwendung konnten
die physischen Zwangsmittel wesentlich verringert, die Patienten früher nach Hause entlassen und eine ambulante
Versorgung ermöglicht werden.
Besonders von Seiten Betroffener wird aber auf die erheblichen negativen Wirkungen hingewiesen. Peter Lehmann hat
in seinem Buch "Der chemische Knebel" (1986) die dramatischen Nebenwirkungen aufgezeigt. Sie besetzen
demnach eine "persönlichkeits-verändernde Wirkung", die mit diesen "niedergespritzte"
Personen zu "Zombies" werden läßt. Durch ihre nicht mehr zu behandelnden Nebenwirkungen, wie
z.B. tardive Spätdyskinesien (unwillkürkliche Muskelbewegungen vor allem im Bereich des Mundes, des Gesichtes,
der Hände und Füße), werden körperlich Gesunde erst zu Kranken gemacht. Dies geschieht schon
mit Beginn der Medikation:
"Wir verwandeln den seelischen leidenden vorübergehend in einen hirnorganisch kranken Menschen, bei der
EKT [Elektrokrampftherapie] nur globaler, dafür kürzer als bei der Pharmako-Therapie."(Dörner/Plog
1984, 545). Die Medizin produziert hier durch die Behandlung nichtmedizinischer Phänomene, medizinische. Thomas
Szasz prognostiziert für die USA, "daß in den nächsten zehn Jahren hunderttausend von Amerikanern
auf der Straße liegen werden, deren Hirn mit Psychpharmaka vergiftet und zerstört ist."(zit.n.Wehde
1991, 31).
Es stellt sich hier die Frage: Nützt die Psychiatrie mehr oder schadet sie mehr? Dazu der Erfinder des Schizophrenie-Begriffs
Eugen Bleuler 1911:
"Ich bin überzeugt, daß bei der Schizophrenie gerade durch die Bewachung der Selbstmordtrieb geweckt,
gesteigert und unterhalten wird. Nur ausnahmsweise würde sich einer unserer Kranken das Leben nehmen, wenn
wir ihn gewähren ließen. Und wenn es auch ein paar mehr sein sollten, die zugrunde gehen - ist es recht,
wegen dieses Resultates Hunderte von Kranken zu quälen und ihre Krankheit zu verschlimmern?"(zit.n.Finzen
1989, 15)
Nach Asmus Finzen ist dieses Dilemma "nach 70 Jahren unverändert aktuell"(ebd.):
Denn Suizidalität ist "Nebenwirkung therapeutischer Verfahren - der aufdeckenden Psychotherapie ebenso
wie des Einsatzes von neuroleptischen oder antidepressiven Medikamenten (ebd.) ...durch unsere Behandlung zwingen
wir den Patienten aus seiner Wahnwelt heraus, ohne ihn ganz heilen zu können. Wir konfrontieren ihn mit der
Realität, von der wir nicht wissen, ob er ihr gewachsen ist. Im Extremfall machen wir ihn durch unsere Behandlung
stark genug, Bilanz zu ziehen und zu folgern, daß er in dieser Welt keine Chance hat, daß er in ihr
nicht leben will." (20f)
Und Hanfried Helmchen:
"So wird kaum ein Psychiater seinen Patienten darüber aufklären, daß Suizidalität als
ein zwar schwerwiegendes, aber seltenes Risiko einer aktivierenden Pharmakotherapie oder infolge eines bestimmten
Rehabilitationsdruckes oder im Verlauf einer aufdeckenden Psychotherapie auftreten kann; denn er kann nicht ausschließen,
daß der Kranke dies als Hinweis auf Hoffnungslosigkeit seiner Erkrankung mißverstehen könnte oder
aber, daß solche Aufklärung im Sinne einer sich-selbst-erfüllenden Prophezeiung wirken könnte."(1986,334)
In Westdeutschland kamen 1990 4424 Menschen (davon 48 SuchtpatientInnen) in der Psychiatrie zu Tode (Statistisches
Jahrbuch 1992 zit.n. Seibt 1997, 192).
Doch nicht nur die negativen Wirkungen lassen die psychiatrische Pharmakotherapie fraglich erscheinen. Inzwischen
zeigen sich Alternativen der Behandlung/ Betreuung/ Begleitung ohne Medikation auf: Selbsthilfegruppen und Soteria-Projekte
(siehe Kapitel 4 und 5) zeigen, daß es auch ohne geht.
2.5. Bewertung des psychiatrischen Krankheitsbegriffes
Die Ursachen sogenannter Schizophrener Erkrankungen sind nicht bekannt. Deshalb kann die psychiatrische Diagnostik
auch nur verschiedene Verhaltensweisen beschreiben, die sie zu Krankheitsbildern zusammenfaßt. Der einzige
medizinische Bereich in der Psychiatrie, die medikamentöse Behandlung, bleibt (was aufgrund mangelnden ätiologischen
Wissens nicht verwunderlich ist) unspezifisch und aufgrund der starken negativen Wirkungen äußerst bedenklich.
Von der von Dörner und Plog geforderten Abtretung des Führungsanspruchs der Mediziner ist nichts zu bemerken.
Das Gegenteil ist der Fall. Wie schon im 19.Jahrhundert glauben auch die psychiatrische Tätigen heute noch
daran, in Zukunft den Wahnsinn zu einer somatischen Krankheit machen zu können. Mit einer einflußreichen
Industrie im Hintergrund treten die biologistischen Teile der Psychiatrie am Ende des 20.Jahrhunderts gestärkt
und selbstbewußt hervor (Vgl. Forster 1997, 166). Der Elektroschock wird wieder als erfolgreiche und risikoarme
Therapie propagiert (Helmchen 1986; Hoffman-Richter/Finzen 1997; Tauscher 1997) und die Ausweitungstendenzen auf
"abweichendes Verhalten" wie Obdachlosigkeit (Greifenhagen 1996), Alkohol- und Drogenmißbrauch,
abweichendes Eßverhalten oder im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie auf "Schlafstörungen",
"Hyperaktivität", "Stottern", "Pubertätskrisen", "Schulverweigerung",
"Schulschwierigkeiten" oder "Leistungs- und Antriebsstörungen" (Reiser 1996, 86f) ist
nicht zu verkennen. Die Medikalisierung des Wahnsinns war somit nur die erste Stufe (Forster 1997) .
Die "Medikalisierung abweichender Verhaltensweisen" betrifft heute einen weiteren Bereich als es je zuvor.
Die antipsychiatrische Kritik gilt dementsprechend verstärkt. Natürlich betrifft diese Tendenz die Medizin
insgesamt. Der medizinsche Krankheitsbegriff hat sich stark verändert. Die Anteile sozialer Konstruktion werden
auch bei diesem betont (Forster 1997; Keupp 1990). Daß bedeutet aber eher der medizinische Krankheitsbegriff
hat sich dem psychiatrischen angepaßt, und nicht umgedreht. Entscheident bleibt der fundamentale Unterschied
zwischen Medizin und Psychiatrie, zwischen freiwilliger oder zwangsweiser Behandlung.
Neben dieser fraglichen Legitimation des Krankheitsbegriffs ist ebenso der Nutzen in Frage zu stellen: Warum müssen
Stimmenhörer oder Menschen mit Wahnvorstellungen "psychisch Krank" bzw. "schizophren"
genannt werden ? Warum kann Stimmenhören nicht einfach ein ungewöhnliches Lebensereignis sein?
Die ökonomischen Vorteile des Krankheitsbegriffs als Argument für dessen Beibehalt einzubringen (Bock
1997 205; Clausen,u.a. 1996, 63) ist zwar äußerst pragmatisch, kann aber nicht akzeptiert werden, wenn
man die schwerwiegenden Folgen betrachtet, die ein psychiatrischer Eingriff haben kann.
Zusammengefaßt ist für mich der psychiatrische Krankheitsbegriff für mich weder gerechtfertigt,
noch von Nutzen; die möglichen negativen Folgen für den Betroffenen, sowie die problematische Bedeutung
für die Gesellschaft (Lösung sozialer Probleme durch Individualisierung und Medikalisierung) sprechen
für die Verabschiedung dieses Konstrukts.
3. Zwang und Gewalt in der Psychiatrie
"Einsperren - Lähmen - Verrücken" - so überschreibt Thilo von Trotha die psychiatrische
Behandlung.(Trotha 1995) Dieser "dreifache, massiv ausgeübte Druck" besteht in einem physischen:
Internierung, Ausgansverbot, Isolierung, Fixierung und unter Umständen körperlicher Gewalt durch das
Anstaltspersonal; einem chemischen: Neuroleptika; einem psychotherapeutischen: Einzel- und Gruppengespräche.
Die körperliche Gewalt ist zwar "entwürdigend und schmerzhaft, aber insofern erträglich, als
sie eine Art von negativer, sinnlicher Erfahrung darstellt, die man in früher Erlebtes oder wenigstens Gehörtes
oder Gesehenes einordnen" kann. Die chemische Gewalt ist "ungleich destruktiver, da sie extrem unheimliche
und verängstigende körperliche Wirkungen hervorruft und die gewohnte Wahrnehmung und das innere Erleben
des Betroffenen einschneidend verändert". Absolut "verheerend" wirkt sich erst die stationäre,
psychiatrische "Psychotherapie" aus, "weil sie die Effekte der ersten beiden Stufen in das Selbstbild
des Betroffenen eingraviert". Wenn der Verrückte anfängt, selber zu glauben, daß er krank
ist, beginnt eine "chronifizierte Selbstvergewaltigung". Von nun an hat er zu sich selbst ein "therapeutisches
Verhältnis", und vollzieht "die Verwüstungen der psychiatrischen Unterdrückung seiner
innersten, wenngleich "verrückt" hervorbrechenden Bedürfnisse von sich aus zum zweiten Mal".
Nach psychiatrischen Verständnis ist die Unterteilung in den Psychiater als "Täter" und den
Verrückten als "Opfer" falsch. Schließlich handelt es sich um "Helfer" und "Hilfsbedürftige".
Für sie besteht eine Interessengleichheit, nämlich die "Gesundung" des Patienten. Da dies der
"Kranke" aufgrund seiner Krankheit nicht einsieht, kann ihm in seltenen Fällen nur unter Gewaltanwendung
geholfen werden. Diese dient dem "Wohle des Betroffenen" in zweifacher Hinsicht:
1. Die Folgen eines Suizids oder einer Gewalttat sind nicht wieder rückgängig zu machen. Der "pychisch
Kranke" ist jedoch nicht verantwortlich zu machen. Deshalb hat er ein "Recht darauf, gegen seinen Willen
behandelt zu werden...Den Kranken im Namen der Freiheit seiner Psychose zu überlassen,...verletzt nicht nur
dessen Würde - es wäre Barbarei." (Finzen 1989, 192)
2. Die in unserer Gesellschaft real existierende Gewalt gegen "psychisch Kranke" sollte besser "durch
die Psychiatrie ausgeübt werden, die ja eine öffentliche Institution ist, als in irgendwelchen nicht-öffentlichen
Bereichen". (Wienberg 1997, 16)
In diesen beiden Ansichten lassen sich keine Berührungspunkte finden:
"Die von der Medizin im allgemeinen und von der Psychiatrie im besonderen proklamierte Interessengleichheit
von Helfern und Hilfesuchenden wird durch den Nachweis einer Vielzahl möglicher Interessenkonflikte und des
Machtgefälles zwischen Experten und Laien in Frage gestellt. Das Unbehagen gilt einer "Therapeutisierung"
sozialer Probleme ebenso wie der Verselbständigung des Expertenwissens gegenüber den subjektiven Wünschen
der Betroffenen." (Forster 1990, 140)
Was heißt nun aber Gewalt und Zwang ? In einer Untersuchung (Eicken,u.a. 1990; herausgegeben vom Bundesjustizministerium)
über Freiheitsbeschränkung in Einrichtungen für psychisch Kranke, geistig Behinderte und alte Menschen
heißt es:
"Schon die halboffene Unterbringung (Trickschlösser und andere technische Ausgangshindernisse), aber
auch die mechanische Ruhigstellung durch Fixierung oder Bettgitter wurden unter Hinweis auf den Schutzzweck entweder
gar nicht oder nur zögernd als Freiheitsbeschränkungen anerkannt. Die Ruhigstellung durch Medikamente
wurde meist ganz aus diesem Zusammenhang herausgenommen unter Hinweis darauf, daß es sich hier um medizinische
Maßnahmen handele. Im Rahmen der Heilbehandlung sah man verdeckte Medikamentengaben ebenso wenig wie Beschränkungen
der Arztwahl, der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten oder die Behandlung ohne Aufklärung
als Ausübung von Zwang an...Die fürsorgliche Motivation als wesentliches Element einer therapeutischen
und pflegerischen Berusethik schien die Defizite in der rechtlichen Legitimation im Bewußtsein unserer Gesprächspartner
"moralisch" weitgehend auszugleichen,... (86) Die meisten dieser Maßnahmen [Eingriffe in die Grundrechte]
sind formal (verfahrensrechtlich) nicht legitimiert, viel sind inhaltlich (materiellrechtlich) nicht legetimierbar.
Rechtliche Sanktionen und Kontrollen greifen nicht...[es] ließe sich sagen, daß das Recht hier seine
Orientierungsfunktion ebenso wie seine Durchsetzungsfähigkeit weitgehend verloren hat." (89; ebenso Weber
1995, 26)
Im folgenden werde ich untersuchen, wie es sich mit der rechtlichen Legitimation im Bereich der zwangsweisen Unterbringung
verhält. Festzuhalten bleibt, daß gerade die Kombination von Zwangseinweisung, Zwangsmedikation und
(Zwangs-) Psychotherapie der Psychiatrie den "totalen Zugriff" auf den Menschen ermöglicht: auf
den Körper (von außen und innen) als auch auf die Psyche.
3.2. Zwangseinweisung
"Wir machen uns Sorgen um dich, Kindchen." - "Ich mache mir Sorgen um Michael - warum hilfst du
mir nicht bei den rechtlichen Fragen, solang du hier bist?" - "Ach Quatch." - "Wir sprechen
über Leben und Tod, Sal." - "Verrückte Person, du wirfst dein Geld zum Fenster hinaus mit deinen
Englandreisen, du bist nicht ganz bei Trost." - "Wie meinst du das?" - "Ich meine, wir machen
uns Sorgen um dich." - "Sorgen" ist plötzlich das unheilvollste Wort geworden, das ich je gehört
habe; man kennt so etwas, aus der Ferne, von anderen Unglücklichen. "So?" frage ich. "Ich möchte,
daß du mit mir zu einem Psychiater gehst." - "Sally, laß den Unsinn." Es folgt ein langer
wütender Streit, wie ihn nur Geschwister zustande bringen, und schließlich sage ich mit der stets abrufbereiten
Verrücktheit einer jüngeren Schwester, die einen Berg oder ein Gefängnis herausfordert: "Okay
-ich geh zu diesem verdammten Psychiater, soll er entscheiden, wer recht oder unrecht hat, wer verrückt ist.
Okay?" - "Okay." Und dann springt die Maschinerie an. Sie sind schon startbereit in einem Wagen,
wer weiß was noch....Mein Gott, sie wollen mich einliefern. Diese eine Situation, wo geliebte Menschen mit
dem Staat konspirieren - alle drei, drei Menschen, die ich über alles in der Welt liebe ... sie sind mein
ganzes Universum und dabei, mich zu verraten. An einen Ort, den sie nicht kennen. Ich aber kenne ihn... Als ich
in St.Peter`s arbeitete, ist niemand den ich kannte, lebendig herausgekommen, ohne nicht binnen weniger Monate
wieder drinnen zu sein - das ist ein Labyrinth; für den Rest meines Lebens werde ich dieses Zeichen auf der
Stirn tragen... Ich öffne den Wagenschlag. Später Beweis für meinen Wahnsinn, daß ich eine
Autotür öffnete, als der Wagen noch fuhr. Niemand bemerkte, daß es die Tür meines eigenen
Autos war, und ich sitzen blieb, ohne die geringste Absicht, mich zu verletzen, sondern bloß um meine verdammte
Schwester dazu zu veranlassen, stehenzubleiben und mich aussteigen zu lassen.... Und hinter der ersten Tür
ist ein Schloß. Eine geschlossene Abteilung, ein Irrenhaus, kein Krankenhaus, der Ort schreiend voll von
verängstigten Leuten und Bullen. Wie die Kreise von Dantes Hölle, Stockwerk um Stockwerk, und jede Tür
schließt sich hinter dir. Du wagst nicht, den Riegel hinter dir mit der Hand zu berühren, aber du kannst
es erraten, du spürst es, derweil du ihnen immer noch traust. Sie können das nicht getan haben. Lügen
oder hintergehen, herumkommandieren, aber nicht einsperren. Der dünne Faden von Hoffnung und Vertrauen findet
Sitas Augen - wie sie lächelt, um mich zu beruhigen, wie ernst Fumio dreinschaut, als ob er auf immer und
ewig mein bester Freund wäre und mich beschützen würde..." (Millet 1990: 45ff)
So beschreibt Kate Millet ihre erste Einweisung, den Beginn ihres "Klapsmühlentrips". In psychiatrischen
Lehrbüchern werden Zwangsmaßnahmen folgendermaßen beschrieben:
"Unfreiheit und Gezwungensein entstehen mehr durch die Krankheit selbst als durch Behandlungen, wenn auch
nicht verkannt werden darf, daß Therapiemaßnahmen und Krankenhausaufenthalt weitere Einengung für
den Patienten bedeuten können. Zwangsmaßnahmen, durchgeführt gegen den ausgesprochenen Willen des
Kranken, waren früher häufig, in der heutigen Psychiatrie sind sie dank der therapeutischen Möglichkeiten
wesentlich seltener geworden und nehmen weiter ab. Aber auch heute noch entstehen Situationen, in denen vorübergehend
Zwangsmittel eingesetzt werden, nämlich wenn der Patient krankheitsbedingt die Behandlungsnotwendigkeit nicht
erkennen kann." (Tölle, 369)
Die Beurteilung der Zwangsmaßnahmen könnte nicht unterschiedlicher ausfallen: Für die Betroffenen
geht es um Verrat durch ihre engsten Vertrauenspersonen, Erniedrigung, Demütigung, um Gewalt, Internierung,
Gefängnishaft, bis hin zur Folter; für Proffessionelle handelt es sich um eine mögliche Einengung,
eine vorübergehende Maßnahme, aufgrund einer Behandlungnotwendigkeit.
3.2.1 Zur Geschichte der Irrengesetze
Entgegen der jahrhundertealten Tradition der Ausgrenzung und Entrechtung Wahnsinniger, begründen sich die
Gesetze über "Hilfen und Schutzmaßnahmen psychisch Kranker" gerade mit der Intention, für
diese eine Gleichbehandlung mit "psychisch gesunden Menschen" zu ermöglichen. Das Recht soll als
"Instrument zur Förderung der Integration" dienen (Forster 1990)? Damit gerät die rechtliche
Intervention in den grundsätzlichen Widerspruch: Die seit den siebziger Jahre entstandenen Unterbringunsgesetze
der "zweiten Generation" unterscheiden sich von früheren durch die Aufnahme der Regelung von Fürsorgemaßnahmen.
Vor- und Nachsorge, sowie ärztliche Behandlung während der Unterbringung werden geregelt. Sie bleiben
trotzdem Bestandteil der Polizeigesetze und beinhalten als wesentliche Intention die Gefahrenabwehr. Diesen soll
nun aber viel stärker präventiv begegnet werden. Damit entstand in den meisten Ländergesetzen eine
Allianz aus "Polizeigriff und Hilfeleistung"(Reichel 1980).
Das PsychKG steht in der Tradition des ersten Irrengesetzen in Preußen von 1803 . In diesem wurde erstmals
eine gesetzliche Regelung der Unterbringung für "Wahn- und Blödsinnige" in Irrenanstalten geschaffen.
Die Ortspolizeibehörde hatte das Recht und die Pflicht, die Allgemeinheit gegen "Ausbrüche von Wahn-
und Blödsinnigen" zu sichern. Allerdings wurden ihre Befugnisse klar eingeschränkt: Die zunehmenden
Bedeutung von Persönlichkeitsrechten erforderte ein differenziertes und rechtlich abgesichertes Einlieferungsverfahren,
um "eine "falsche Einlieferung" von vermeintlich Irren "aus böser Absicht" durch
Verwandte und gewinnsüchtige Erben" (Kaufmann 1995, 160) zu verhindern. Der Polizei konnte nun niemanden
mehr als "wahn- oder blödsinnig" erklären. Nur ein "competentes Gericht" erstellte
eine "Wahn- oder Blödsinnigkeitserklärung", die der Unterbringung vorrausgehen mußte.
(Dörner 1984, 230) Die Polizei hatte zwar das "Recht des ersten Angriffs" und durfte eine "vorläufige
Sicherstellung des Publicums" vornehmen, benötigte aber zur Einlieferung in ein Irrenhaus die Erklärung
des Gerichts. Dieses sollte vorher ein Gutachten eines "gehörig qualificirten Arztes" veranlassen.
Die Zuständigkeit war damit erstmals in drei Bereiche zerlegt: ärztliches Gutachten - richterliches Urteil
- polizeiliche Durchführung. Hiermit sollten Irrtümer verhindert werden.
Im §15 des Polizeivollzugsgesetz der Weimarer Republik finden sich dann die beiden Vorraussetzungen für
Zwangsunterbringungen, die auch heute noch gelten: Diese war erforderlich "zum eigenen Schutz dieser Personen"
oder "zur Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung
oder zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden polizeilichen Gefahr" mit der auch heute geltenden Bedingung,
das "die Beseitigung der Störung oder die Abwehr der Gefahr auf andere Weise nicht möglich ist"
(Bergener 1988, 4) Trotz fürsorgerischer Gesichtspunkte "war der Gesichtspunkt einer Gefahrenabwehr für
die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorrangig". (ebd.)
Die zweihundertjährige Geschichte der Beziehung von Psychiatrie und Justiz ist vor allem in den letzten dreißig
Jahren gekennzeichnet, durch eine Bedeutungsgewinn der Psychiater. Diese wollten/wollen sich von dem Gefahr-Begriff
des Polizeirechts befreien und allein die Behandlungsnotwendigkeit zum entscheidenden Kriterium machen . Demnach
sollten allein Psychiater über die Unterbringung entscheiden, da es sich um einen "spezifisch-ärztlichen"
Eingriff handele.
3.1.2. Das "Gesetz über Hilfen für psychisch Kranke und Schutzmaßnahmen des Landes Sachsen-Anhalt
(PsychKG LSA)"
Die Psychiatrie stellt den zweiten großen Bereich neben dem dar, indem in die Grundrechte einer Person eingegriffen
wird. Zur Einschränkung von Grundrechten bedarf es nach Artikel 104 des Grundgesetzes (GG) eines "förmlichen
Gesetzes". Im folgenden nun die Darstellung des "Gesetz über Hilfen für psychisch Kranke und
Schutzmaßnahmen des Landes Sachsen-Anhalt (PsychKG LSA).
Das Gesetz regelt (§1 Anwendungsbereich):
1. Hilfen für Personen, die an einer Psychose, Suchtkrankheit, einer <nderen krankhaften seelischen oder
geistigen Störung oder an einer seelischen oder geistigen Behinderung leiden oder gelitten haben, oder bei
denen Anzeichen einer solchen Krankheit, Störung oder Behinderung vorliegen;
2. Schutzmaßnahmen bis hin zu Unterbringung für Personen, die an einer Krankheit, Störung oder
Behinderung im Sinne der Nummer 1 leiden.
In seinem Aufbau gliedert sich das Gesetz in zwei große Abschnitte :
- Hilfen (§ 3-6), Nachsorge (§ 31)
- Schutzmaßnahmen (§ 7-28)
Die Hilfen "sollen dazu beitragen, daß Krankheiten, Störungen oder Behinderngen..rechtzeitig erkannt
werden" und "das Ziel verfolgen, den betroffenen Personen .. eine selbständige Lebensführung
in der Gemeinschaft zu ermöglichen."(§3, Abs.1). Zur Leistung der Hilfen "richten die Landkreise
und kreisfreien Städte beim Gesundheitsamt einen sozialpsychiatrischen Dienst ein" (§5, Abs.1).
Die Leitung soll ein "Facharzt für Psychiatrie und /oder Neurologie" übernehmen (§5, Abs.2).
Bei den Schutzmaßnahmen wird das Konzept der Gefahrenabwehr mit dem der Hilfe direkt verbunden. Der Arzt
("mit längerer Erfahrung in der Beurteilung psychischer Krankheiten" (§7, Abs. 3)) wird befugt
"unmittelbaren Zwang anzuwenden, soweit dies zur Wahrnehmung der Aufgabe erforderlich ist"(ebd.). Der
Arzt wird weisungsbefugt gegenüber der Polizei (§7, Abs.5) und das "Gesetz über die öffentliche
Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt"(SOG LSA) gilt nachranggig (§7, Abs.6).
Bestehen "Anhaltspunkte" einer Gefährdung aufgrund einer Krankheit, erfolgt eine Untersuchung (§8),
gegebenenfalls eine Behandlungsempfehlung (§9) und bei Nichteinhaltung eine Behandlungsauflage (§10).
Wird diese nicht befolgt, kann bei folgenden Vorraussetzungen eine Unterbringung erfolgen, d.h. "jemand gegen
seinen Willen oder im Zustand der Willenlosigkeit in den abgeschlossenen Teil eines Krankhauses eingewiesen"
(§11, Abs.1) werden:
"...wenn und solange
1. die gegenwärtige erhebliche Gefahr besteht, daß der Betroffene sich infolge einer Krankheit, Störung
oder Behinderung im Sinne des § 1 Nr.1 schwerwiegende gesundheitliche Schäden zufügt,
oder
2. das durch die Krankheit, Störung oder Behinderung bedingte Verhalten des Betroffenen aus anderen Gründen
eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt,
und die Gefahr auf andere Weise nicht abgewendet werden kann." (§13, Abs.1)
Es gibt nun drei Arten der Unterbringung:
1. Bei der "vorläufigen Einweisung" (§15) kann die Verwaltungsbehörde (zuständiger
Arzt) den Betroffenen "längstens bis zu Ablauf des folgenden Tages" einweisen, wenn eine gerichtliche
Entscheidung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann.
Mit Entscheidung des Vormundschaftsgerichts auf Antrag der Verwaltungsbehörde (§14) kann der Betroffene
2. bei der "vorläufigen Unterbringung" (FGG §70h) sechs Wochen und bei Verlängerung drei
Monate
3. bei der Unterbringung (FGG §70f) "höchstens ein Jahr, bei offensichtlich langer Unterbringungsbedürftigkeit
höchstens zwei Jahre" eingewiesen werden.
Für den Zeitraum der Unterbringung werden Untersuchung (§16), Ärztliche Behandlung (§17), besondere
Sicherungsmaßnahmen, wie z.B. Fixierung (§19), Besuchsrecht (§21), Postverkehr und Telekommunikation
(§22), sowie Beendigung der Unterbringung (§§26,27,28) geregelt.
3.1.3. Empirie der Zwangseinweisungen
- Unter den Bedingungen der Psychiatrie-Reform haben ZE zugenommen. Regional höchst unterschiedlich haben
sie sich leicht erhöht (Spengler 1994), verdoppelt (Bruns 1986, 1993; Crefeldt/Gollmer 1994) oder wie in Nordrhein-Westphalen
verdreifacht . D.h. Nordrhein-Westphalen hatte 1995 eine Unterbringungsquote von 2,2 je 1000 Einwohner - Berlin:
0,95 - Sachsen-Anhalt: 0,41 - Deutschland: 1,5 (Crefeld 1997).
- Zwangseinweisungen sind in Deutschland nach verschiedenen epidemiologischen Untersuchungen extrem ungleich verteilt:
sie liegen zwischen 3,9 und 44,8% - im Mittel bei 10%. In ländlichen Gebieten sind sie niedriger als in Städten.
Selbst bei verschiedenen psychiatrischen Kliniken ein- und desselben Bundeslandes mit einheitlichem Unterbringungsrecht
finden sich erhebliche Streuungen zwischen 0,1% und 61,1% (Crefeld 1997).
- Ob nach dem PsychKG oder dem BtG eingewiesen wird, variert ebenfalls beträchtlich: So werden in München
z.B. 85% nach dem BtG eingewiesen; demgegenüber in Köln nur 9% und 81% nach dem PsychKG (Crefeld 1997).
- Selbstgefährdung (Suizidproblematik 40% - Desorientiertheit 25%) ist bei 2/3 der Fälle Einweisungsgrund
(Bergener 1988, 31).
- Vier Hauptdiagnosegruppen betreffen fast alle Patienten: Schizophrenie (31,9%); Alkohol- und Medikamentenmißbrauch
(24,7%); Neurose, Persönlichkeitsstörung (24,4%); gerontopsychiatrische Erkrankungen (12,9%) (Bergener
1988, 44). Die Diagnoseverteilung ist aber regional sehr unterschiedlich (Bruns 1993).
3.2. Zur Legitimation der Gewaltanwendung
"Man sperrt jemanden ein, der "gefährlich" ist. Kurz, es ist gelungen,
die Tatsache, als Gefährlich zu gelten, als Delikt zu kodifizieren."
M.Foucault
Die Kritik an den PsychKG`s ist vielseitig. Ich werde sie nach den drei Mechanismen diskutieren, die nach Georg
Bruns die Gewaltanwendung in der Psychiatrie legitimieren:
1.) die Definition psychisch Kranker als gefährlich;
2.) die Einhaltung eines legalisierten Verfahrens;
3.) die Verbindung mit einer Maßnahme der Hilfe (1993, 19).
3.2.1. Gefahr als Folge einer "psychischen Krankheit"
Das PsychKG bezieht sich nur auf Situationen in denen, die Gefahr, die von der Person ausgeht, durch eine "psychische
Krankheit" bedingt ist. Diese kausale Verbindung von Krankheit und Gefahr, der "Pakt" zwischen Psychiatrie
und Jurisprudenz (Reichel 1980, 271) legitimiert erst den ordnundsrechtlichen Zugriff auf strafrechtlich nicht
zu belangendes Verhalten.
Der Krankheitsbegriff (§§1,13) soll dabei eine "eingriffsbegrenzende Funktion" (Saage,u.a.
1996, 37) haben, die den Eingriff in "vielfältige Arten sozial unerwünschten Verhaltens"(36)
verhindern soll.
Für den Bereich der Selbstgefährdung (also den überwiegenden Teil der ZE) kann man diese Funktion
gänzlich ausschließen, denn auf Selbstgefährdung erfolgt fast automatisch die Diagnosestellung
"psychisch krank": Selbstmord ist zwar nicht mehr strafbar, jedoch wird niemandem (sind die Argumente
auch noch so vernünftig) zugestanden, sich umbringen zu dürfen. Suizidalität ist "Symptom zahlreicher
psychischer Störungen" (Finzen 1989, 15), d.h. wer sich ernsthaft umbringen will, gilt als "psychisch
krank". So ist es nicht verwunderlich, wenn bei "psychisch Kranken" eine erhöhte Suizidgefahr
festgestellt wird (Finzen 1989, 13; Saage,u.a. 1994, 23). Die Diagnosestellung ist völlig unerheblich: Das
Gesetz trifft auf jede Person zu, die sich selbst gefährdet.
Bei der Fremdgefährdung scheint der medizinische Krankheitsbegriff ebenfalls seiner "eingrenzenden Funktion"
nicht gerecht zu werden. Da die Richter im Bereich der "endogenen Psychosen" nicht von einem medizinischen
Krankheitsmodell ausgehen können - dieses ist nicht belegbar und wird von der Psychiatrie nur "postuliert"
(Saage,u.a. 1994, 36) - orientiert sich der "juristische Krankheitsbegriff" stärker "am Zweck
der Unterbringung", d.h. daran "ob der geistig abartige Zustand so schwer ist, daß die Unterbringung
des Betroffenen zu seinem eigenen Schutz oder zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist" (Marschner 1985,
65). Es wird davon ausgegangen, "daß im normalen seelischen Erleben eine sinnvolle Ordnung besteht"
(42). Im Falle der Krankheit ist dieser Lebenszusammenhang zerrissen, das Verhalten nicht mehr verstehbar. Eine
qualitative Abgrenzung ist aber "nicht durchführbar"(101). "Dadurch rückt die quantitative
Abgrenzung und damit die Intensität der jeweiligen Störung in den Vordergrund."(ebd.). Damit wird
der juristische Krankheitsbegriff zu einer quantitativen Bestimmung abweichenden Verhaltens.
Das gefährdende Verhalten muß in ursächlicher Verbindung mit der Krankheit stehen, ansonsten würde
ein Sondergesetz nicht notwendig sein.
Bei Selbstgefährdung verursacht (wie schon gesagt) die Gefährdung eher die Diagnose.
Selbst bei Menschen mit Symptomen "psychischer Krankheit", denen z.B. ihre Stimmen sagen sie sollen sich
umbringen, trifft dies meistens nicht zu. Dazu (ganz unverdächtig) Asmus Finzen: "Der Suizid des psychiatrischen
Patienten ist, um es drastisch zu formulieren, nicht Ausgeburt seines Wahns, sondern Reaktion auf seine Lebenssituation,
die er als unerträglich erlebt... nur ausnahmsweise wird die Krankheitssymptomatik selber zum unmittelbaren,
unvorhersehbaren Auslöser des Suizids." (1989, 35) Die meisten Suizidfälle sind eine Reaktion "auf
das bewußte Erleben der Krankheit und ihrer Folgen im zwischenmenschlichen Bereich und auf dem Leistungsgebiet..."(36).
Damit ist jedoch die vom Gesetzgeber intendierte Kausalität zwischen "psychischer Krankheit" und
Selbstgefährdung nicht erfüllt.
Fremdgefährdung: Empirische Untersuchungen zufolge begehen "psychisch Kranke" im Vergleich zur Normalbevölkerung
weder mehr Straftaten (Marschner 1985, 127; Bergener,u.a. 1988, 1; Finzen 1995), noch eignen sich bestimmte Diagnosen
oder psychiatrische Vorgeschichten zur Vorhersage von Gewalttätigkeiten (Steinert zit.n. Saage,u.a. 27f).
Es bleibt eine sehr kleine Gruppe von Menschen, die aufgrund (z.B.) ihrer Wahnvorstellungen aggressiv handeln .
Sie sind jedoch erst nach einer Tat von denjenigen zu unerscheiden, die trotz ihrer Wahnvorstellungen nicht aggressiv
handeln. Daraus ergibt sich das größte Problem der PsychKG’s:
Es muß in einer Prognose entschieden werden, ob in "allernächster Zeit mit einer an Sicherheit
grenzenden Wahrscheinlichkeit [das schädigende Ereignis] eintreten wird" , das aufgrund einer psychischen
Krankheit begangen wird. Diese doppelte Prognose ist jedoch nicht zuverlässig realisierbar: "Nimmt man
die Erkenntnisse der Prognoseforschung ernst, dann ist es nicht möglich und wohl auch niemals erreichbar,
Gefährlichkeit vorrauszusagen" (Saage,u.a. 1996, 225). Untersuchungen mit Personen die trotz positiver
Gefahrenprognose aus verfahrenstechnischen Gründen entlassen werden mußten, zeigen daß fünf
von sechs Prognosen falsch waren (Saage,u.a. 1996, 224). Für Marschner ergibt sich daraus, das sich jede einzelne
Unterbringung nach dem rechtsstaatlichen Modell des individuellen Gefahrennachweises als "Täuschungsversuch"
entlarvt. Er schlägt deshalb ein anderes Modell vor:
"Wir müssen akzeptieren, daß die Unterbringungsbeschlüsse niemals dadurch gerechtfertigt sind,
daß wir mit Sicherheit einen Gefährlichen einsperren. Jede einzelne Unterbringung ist allenfalls dadurch
gerechtfertigt, daß wir dem Betroffenen einen Menschen einsperren, der selbst ungefährlich sein mag,
aber als Zugehöriger einer Gruppe ein Sicherheitsrisiko bedeutet."(225f)
Das bedeutet aber nichts anderes als eine "Vorbeugehaft für psychisch Kranke" (Walter zit.n. Bruns
1997, 59). Marschner nennt es "kollektive Vorbeugehaft"(226). Der Staat nimmt die Freiheit der "psychisch
Kranken" in Anspruch, um andere Interessen (die öffentliche Sicherheit) durchzusetzen. Der psychisch
Kranke müsse hier ein "Sonderopfer" bringen. "Vorbeugehaft" ist meines Wissens jedoch
rechtswidrig und in diesem Fall besonders widersinnig, weil "psychisch Kranke" ja gerade keine Risikogruppe
darstellen.
Zusammenfassend kann man sagen, daß es sich bei der Bescheinigung der Gefährlichkeit "psychisch
Kranker" nur um ein "legitimierendes Konstrukt" (Waller 1982, 107; Bergener,u.a. 1988, 32; Bruns
1993, 161ff) handelt, um störendes Verhalten zu maßregeln.
3.2.2. Das Verfahren
Beim Verfahren der Unterbringung ergeben sich verschiedene Probleme:
keine anwaltliche Vertretung
Im Berliner PsychKG heißt es: "Der Betroffene wird im Unterbringungsverfahren und während der Dauer
der Unterbringung anwaltlich vertreten."(§17 Abs.1). Dieses Recht hat der Betroffene im PsychKG LSA nicht,
d.h. weder bei der richterlichen Anhörung, noch bei späteren freiheitsbeschränkenden Maßnahmen
(wie z.B. Fixierung) ist eine anwaltliche Vertretung vorgesehen. Da die Einlegung von Rechtsmitteln, wie der Beschwerde
(§70mFGG), jedoch "entscheidend von der Beiordnung eines Rechtsanwalts abhängen" (Saale,u.a.1994,
98) dürfte, ist die Rechtsstellung des Patienten wesentlich beschränkt worden.
Einschränkung der juristischen Kontrollfunktion
Die richterliche Anhörung des Betroffenen gilt nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts als
unverzichtbare Verfahrensgarantie im Sinne des Art. 104 Abs1. GG, "um dem Richter einen persönlichen
Eindruck vom Betroffenen und seiner Erkrankung zu verschaffen und dadurch zu ermöglichen, dem ärtzlichen
Gutachten richterliche Kontrolle entgegenzusetzen" (Marschner 1985, 177). Diese sollte "in der üblichen
Umgebung des Betroffenen" stattfinden (§ 70c FGG). Wenn sie jedoch nicht rechtzeitig herbeigeführt
werden kann, wird die Unterbringung allein auf Grundlage eines ärztlichen Befundes nach §15 PsychKG LSA
vollzogen. Dieser vorläufigen Unterbringung muß der richterliche Unterbringungsbeschluß "bis
zum Ablauf des folgenden Tages" folgen. - Von den verschiedenen Unterbringungsverfahren kommt fast ausschließlich
die vorläufige (sofortige) Unterbringung vor (98% - Bergener; 99,5% - Spengler zit.n.Saage, u.a. 1996). Dieses
Verfahren war eigentlich für "besondere Notfälle" (Bergener 1988, 34) vorgesehen, ist nun aber
zur Regel geworden. Der Richter sieht den Betroffenen dadurch erst nach der ZE, möglicherweise nach einer
erfolgten Zwangsmedikation . Er kann nur die Situation nach der (für den Betroffenen) extremen Gewalterfahrung
beurteilen. Die Kontrollfunktion ist damit ausgehebelt.
die gesetzlichen Unterbringungsgründe
"Bei einer strengen Prüfung der Anlässe zeigt sich, daß lediglich bei einem Drittel der Zwangseinweisungen
tatsächliche selbst- oder fremdgefährliche Handlungen vorgelegen haben."(Bruns 1997, 59; Bergener,u.a.
1988, 32). Marschner bezweifelt ebenfalls, "...daß die gesetzlichen Unterbringungsgründe in der
Rechtswirklichkeit [...] ausschlaggebend für die Frage der Unterbringung sind" (Saage,u.a.1996, 25).
Nimmt man die empirisch belegten gravierenden regionalen Differenzen bei der Häufigkeit von ZE und Häufigkeit
bestimmter Diagnosen, und vergleicht sie mit epidemiologische Untersuchungen, die übereinstimmend eine weitgehend
gleichmäßige regionale Verteilung schwerer psychischer Erkrankungen und Diagnosen feststellen(Übersicht
bei Bruns 1993, 214), kann nur von einer "völlig willkürlichen Handhabung der Unterbringung"
(Saage,u.a. 1996, 29) gesprochen werden.
die Rolle des psychiatrischen Sachverständigen
Auch wenn Juristen sich immer wieder für eine größere Unabhängikeit von psychiatrischen Gutachtern
ausgesprochen haben (Kargl 1975; Reichel 1980; Marschner 1985; Saage, u.a. 1996), besteht die überragende
Stellung des ärztlichen Sachverständigen in den modernen PsychKG`s weiterhin (Reichel 1980, 292; Marschner
1985, 175). Gerade durch die zunehmende Bedeutung der Behandlungsbedürftigkeit als Unterbringungsgrund verstärkt
sich die Stellung des Arztes. Die juristische Kontrollfunktion ist hier wiederrum in Frage gestellt.
Hinzu kommen Mehrfachfunktionen des Arztes. Bruns zeigt für Bremen, daß 1994 bei 43% der Unterbringungen
die ärztliche Stellungnahme von Ärzten der unterbringenden Einrichtung verfasst wurden (1997, 59). Einerseits
können hier Interessen der Institution die Beurteilung beeinflussen; andererseits kann es zur Personalunion
kommen, z.B. der behandelnde und begutachtende Arzt zu sein. Damit ist die nötig Neutralität nicht gegeben.
Dieses Verfahren, das die Einschränkung der Grundrechte eines Menschen regeln soll, ist gekennzeichnet durch
eine unzureichende richterliche Kontrolle und eine psychiatrische Dominanz: "Das Gesetz wird nicht zur Kontrolle
der psychiatrischen Vorgehensweise eingesetzt, sondern der Psychiatrie als Handlungsinstrument zur Verfügung
gestellt."(Reichel 1990, 290). Insofern ist das Verfassungsprinzip der Gewaltenteilung im Bereich Exekutive-Judikative
bedroht (292).
3.2.3. Zwang und Hilfe
Die Festschreibung der Hilfen und des Sozialpsychiatrischen Dienstes im PsychKG wird aus psychiatrischer Sicht
meistens als positive Entwicklung zu einer stärker fürsorglichen Intention der Gesetze gesehen (Dörner/Plog
1986, 490). Sie entspricht der Entwicklung und dem Ausbau der Gemeindepsychiatrie. Die Kritik an diesem Ausbau
psychiatrischer Einrichtungen in der Gemeinde, bezieht sich auf die gleichzeitige Ausweitung des Klientels. Jervis
schreibt 1975: "Je weiter sich diese Einrichtungen entwickeln, desto mehr Klienten finden sie, desto mehr
Patienten produzieren sie in einem Mechanismus, der sich praktisch ohne Grenzen fortsetzt..."(145). Georg
Bruns erklärt mit dieser "Schwellenerniedrigung" die steigenden Zahlen von Zwangseinweisung gerade
in reformorientierten Gegenden (1986, 1993; ebs. Rudolf Marschner 1990, 95) . Diese Ausweitung basiert auf einem
doppelten Mechanismus. Einerseits werden aufgrund vermehrter niederschwelliger Angebote mehr "Patienten"
"entdeckt", die sonst vielleicht nie mit der Psychiatrie in Kontakt gekommen wären. So vermutet
Klaus Dörner in jeder Familie "mindestens einen, der unter die Rubrik `psychisch krank` fällt."
(zit.n.Lehmann1986, 41) . Andererseits werden im Sinne einer Früherkennung mehr Menschen als `psychisch krank`definiert:
"...aus ratsuchenden Personen werden auf dem Wege der Beratung betreuungsbedürftige Klienten des psychosozialen
Systems gemacht" (Schmitz 1989 zit.n.Stark 1996,26).
Die Verkettung von auf "bestehende Anhaltspunkte" (auch von Dritten) erfolgende Untersuchung"(§8),
über Behandlungsempfehlung (§9) und -auflage (§10) bis hin zur Zwangsunterbringung (§12) macht
Sozialpsychiatrische Dienste (SpDie) zu `Außenstellen` der Klinik: Eine Sozialarbeiterin beklagt, "daß
viele Patienten unsere Beratungsangebote nicht annehmen. Die wissen, daß wir von einem bestimmten Punkt an
vom Gesetz her gehalten sind, Zwangsmaßnahmen einzuleiten." (zit.n.Flick1993, 89). Die Verknüpfung
von Hilfe und Zwang kann somit die Kontaktaufnahme verhindern.
Ab welchem Punkt ist jedoch nicht definierbar, d.h. jedes Aufsuchen einer Beratungsstelle bzw die Registrierung
durch den SpDie könnte zu einer ZE führen. Gerade durch die Anbindung an das Gesundheitsamt (§5)
wird nach Meinung des Psychologen Uwe Flick die Kontrolle auffälligen Verhaltens zu einer zentralen Aufgabe:
von jedem Fall muß eine Akte angelegt werden ; SpDie müssen Hinweisen von dritter Seite nachgehen; sie
stellen Gutachten für andere Stellen her (Sozialämter,..). Ebenso können bei Zwangseinweisungen
Daten aus freiwilligen Gesprächen hinzugezogen werden.
Die Kontrollfunktion ergibt sich somit aus der Registrierung auffälligen Verhaltens, der Intervention schon
bei Verdachtsmomenten und der kausalen Verkettung der Techniken Hilfe und Zwang (d.h. wenn Sie die Hilfe nicht
annehmen, müssen wir Zwang anwenden`).
Abschließend stellt sich in diesem Bereich noch die Frage: "Wessen Therapeut ist der Psychiater?"
Die wahren Klienten der Psychiatrie sind nach Goffman Verwandte, die Schule, die Polizei, die Justiz, die Gesellschaft
(1961, 365; Szasz 1960, 49). Heiner Keupp weist darauf hin, daß die "Entscheidung, ob es zu einer Einweisung
kommt, weitgehend bei den engsten Bezugspersonen einer "Risikoperson"" liegt, da "Klinikpsychiater
bei Personen, die in die Klinik eingeliefert werden, fast immer eine psychiatrische Diagnose stellen" (1994,
57).
3.2.4. Zusammenfassung
Ich habe zu zeigen versucht, daß die gesetzliche Sonderposition der "psychisch Kranken", die wesentliche
Einschränkungen von Grundrechten legalisiert, nicht zu rechtfertigen ist:
1. Bei Selbstgefährdung zeigt sich eindeutig, daß der Begriff der "psychischen Krankheit"
benutzt wird, um die Problematik des Selbstmords zu bewältigen. Damit wird ein ethischer Diskurs, um die Frage
"Darf ich mich umbringen?" umgangen und es werden die sozialen Umstände, die zu manchen Selbstmorden
führen, ausgeblendet, indem als Ursache eine Krankheit konstruiert wird, mit der man wiederum umgehen kann.
Da von juristischer Seite weder die "Gefährlichkeit" noch die "psychische Krankheit" genau
zu bestimmen sind, ergibt sich auch bei der Verbindung "gefährlich aufgrund psychischer Krankheit"
ein unbestimmbares Konstrukt, das in der derzeitige Praxis zu einer "Vorbeugehaft für psychisch Kranke"
führt.
2. Die Dominanz der Psychiater im Unterbringungsverfahren führt zu verfassungswidrigen Verbindung von exekutiver
und judikativer Gewalt. Die Kontrollfunktion der Justiz kann nicht wahrgenommen werden.
3. Die Verbindung von Zwangs- mit Hilfsmaßnahmen führt zu einer Verschleierung orndungspolitischen Eingreifens
als Fürsorgehandlung. Dort wo Hilfen nicht angenommen werden, kann Zwang angewendet werden. Die Maßnahmen
sind damit nicht zu trennen. Vor allem durch die Etablierung des psychiatrischen Systems in der Gemeinde und dem
Bemühen des präventiven Eingreifens, ist eine Ausweitung des Problems der Medizinalisierung abweichenden
Verhaltens bzw. sozialer Probleme erfolgt.
3.3. Bedeutung der Gewalt in der Psychiatrie
Ein wesentliches Argument der Psychiatrie für ihre "Normalität" ist die niedrige Prozentzahl
der Zwangsunterbringungen (ca.10% der Aufnahmen). Die meisten Patienten kommen heute freiwillig oder bleiben nach
einer Zwangseinweisung freiwillig. Folgende Problematik wird dabei meist unterschlagen:
Erstens besteht in der Psychiatrie notfalls immer die Möglichkeit Gewalt und Zwang anzuwenden. Die Dunkelziffer
erzwungener Freiwilligkeit, d.h. "entweder sie kommen jetzt freiwillig mit, oder ich muß Gewalt anwenden",
läßt sich nicht ermitteln. Da Zwangseinweisungen immer schmerzhaft und erniedrigend erlebt werden, geht
man ihr lieber aus dem Weg. Man entscheidet nicht zwischen Behandlung oder Nicht-Behandlung, sondern zwischen gewaltsamer
oder nicht-gewaltsamer Behandlung. Das hat wenig mit Freiwilligkeit zu tun. Die Psychiatrie zeigt hier eher ihren
pädagogischen Charakter: "Dieser Mechanismus funktioniert gegenüber dem Kranken und seinen Familienangehörigen
auch als Warnung, die zur Disziplin und Vorsicht anhält, und als Garantie für die "Ernsthaftigkeit"
der konstituierenden Macht." (Jervis 1975, 38)
Der im Vergleich geringere Prozentsatz von ZE in der DDR wird u.a. mit der "autoritären" Staatsform
erklärt; d.h. sich staatlichen Instanzen zu widersetzen, zog stärkere Konsequenzen nach sich als in der
BRD. Man war demnach insgesamt stärker "diszipliniert". Doch auch heute bleibt das Wirkungsfeld
der Psychiatrie natürlich nicht auf ihre Institutionen beschränkt, sondern betrifft die gesamte Gesellschaft.
Jeder weiß, daß wenn er nackt durch die Straßen läuft oder von sich behauptet Jesus zu sein,
in die "Klapse" kommt (oder zumindest in Berührung mit ihr).
Solange die Psychiater gewaltsam behandeln dürfen, kann sich zwar die Form der Ausübung ändern,
nicht aber dessen Funktion. Foucault beschreibt diese Transformation: "Die Macht wird tendenziell unkörperlich
und je mehr sie sich diesem Grenzwert annähert, um so beständiger, tiefer, endgültiger und anpassungsfähiger
werden ihre Wirkungen: der immerwährende Sieg vermeidet jede physische Konfrontation und ist immer schon im
vorhinein gewiß." (1975a, 262)
3.4. Gewaltfreie Psychiatrie?
"Es gehört zum heillosen Zustand, daß der ehrlichste Reformer, der in abgegriffener Sprache die
Neuerung empfiehlt, durch die Übernahme des eingeschliffenen Kategorieenapparats und der dahinter stehenden
schlechten Philosophie, die Macht des Bestehenden verstärkt, die er brechen möchte."
M.Horkheimer/T.W.Adorno
3.4.1. Das "Herner Modell"
Unter anderem auch auf das "non restraint" Prinzip von John Conolly berufend veröffentlichte Matthias
Krisor 1992 eine Darstellung, der von ihm geleiteten Klinik in Herne, unter dem Titel: "Auf dem Weg zur gewaltfreien
Psychiatrie". Drei Leitlinien zeichnen das "Herner Modell" aus: Verzicht auf eine Aufnahmestation;
Durchmischung der Krankheitsbilder; Offene Türen auf allen Stationen. Vor allem dieser Verzicht auf die "geschlossene
Station" soll ein "eindeutigen Trennungsstrich zu den Vorläufern psychiatrisch-stationärer
Einrichtungen wie Zucht-, Arbeits- und Tollhäusern" setzen. Die "Geschlossene" ist für
ihn "die Krankheit, für deren Behandlung sie sich hält"(63). Der Erfolg dieses Modells (das
es auch in zahlreichen anderen Städten gibt) läßt sich sehen: Trotz Pflichtversorgung kommt es
zu weniger aggressiven Konflikten im Vergleich zu Kliniken mit "geschlossener Station" (105ff; Vgl Pfannkuch
1997) sowie zu keinem Suizid einer zwangsuntergebrachten Person.
Er erklärt das Ausbleiben des völligen Chaos (neben organisatorischen Gründen) mit zwei Reaktionen,
die die Patienten in dieser "Offenen"-Klinik zeigten:
- Gewalt erzeugt Gegengewalt. Wenn ein Patient gewaltätig behandelt oder eingesperrt wird, erzeugt dieses
Aggressionen in ihm. Allein schon das Gefühl eingesperrt zu sein, bestärkt den Drang abzuhauen oder sich
zumindest zu wehren. Während wenn man nicht eingesperrt ist, braucht man nicht weglaufen.
- In dieser nicht total kontollierbaren Situation mußte von dem Betroffenen mehr Selbstverantwortung gefordert
werden, das diese auch annahmen. Die Zeit ihrer "Narrenfreiheit" war vorbei. (110f)
Dieses Modell zeigt die Möglichkeiten einer psychiatrischen Klinik gewaltärmer mit den "Kranken"
umzugehen. Vor allem räumt es mit dem Vorurteil des "gewalttätigen Irren" auf. Eine solche
‘gewaltfreie Psychiatrie’ ist jedoch nicht gleichzusetzen mit einer ‘freiwilligen Psychiatrie’. Bevor ich darauf
weiter eingehe zuerst ein weiteres Beispiel:
3.4.2. Der Trialog
Während in den achtziger Jahren die Angehörigen von den Psychiatern von der Schuldfrage ‘freigesprochen’
wurden ("Freispruch der Familie"), wurde in den neunzigern der Betroffene selbst als "sprechendes
Subjekt" wahrgenommen. In den sogenannten "Psychose-Seminaren" hörten die Professionellen erstmals
den "Kranken" ernsthaft zu. Stimmenhörer erzählten, wie sie ihre Besonderheit erleben, sich
erklären und was ihnen am besten hilft, wenn sie verrückt werden. Erklärtes Ziel war es, den Betroffenen
in Zukunft anders wahrzunehmen: nämlich als Experte seiner eigenen Situation. Professionelle sollten vielmehr
mit den Betroffenen verhandeln, anstelle sie zu behandeln.
Der Begründer der Hamburger "Psychose-Seminare" Thomas Bock beschreibt die "ideale Beziehung":
"Beider Beziehung ist günstigenfalls, so tragfähig, daß sie im möglichst vorher bedachten
und ausgehandelten Not- und Sonderfall auch Maßnahmen ohne/gegen den Willen des anderen verträgt."
(1997, 204) Der ‘andere’ ist in diesem Fall natürlich der "Kranke". Und der "Kranke" soll
dem Psychiater nicht ‘böse’ sein, wenn dieser ihm Gewalt an tut. Er sollte möglichst sogar verstehen,
daß jenes das Beste für ihn sei. Er sollte möglichst vorher genau bestimmen, in welcher Art und
Weise er zwangsbehandelt werden will, im Sinne eines Behandlungsvertrages (Dietz,u.a. 1995). Am besten wäre
es natürlich, wenn er sich gleich selbst zwangsbehandelt und beim Bemerken bestimmter "Symptome"
selbst zu den Medikamenten greift, den Arzt aufsucht oder sich freiwillig in die geschlossene Station begibt.
3.4.3. Zusammenfassung
Diese beschriebenen Formen psychiatrischer Behandlung sind ohne Zweifel der sonstigen Behandlung vorzuziehen. Sie
stellen die Intervention als solche jedoch nicht in Frage, sondern vollziehen sie auf eine ‘angenehmere’ Weise.
Foucault beschreibt diesen Prozeß für die Entstehung der Gefängnisse als eine "kalkulierte
Ökonomie der Strafgewalt". Die neue Milde beim Umgang mit Gefangenen, die im 19.Jahrhundert die strafende
Gewalt der absolutistischen Herrscher ablöst, sei nicht nur zu erklären als Humanisierung, sondern als
eine verfeinerte Machttechnik: die Bestrafung wird ersetzt durch die Besserung, Erziehung, Heilung; der "Körper"
als Ziel der strafenden Gewalt (Folter, Mater) wird ersetzt durch die "Seele":
"...man hat an die Stelle der Seele der Theologen, nicht einen wirklichen Menschen, einen Gegenstand des Wissens,
der philosophischen Reflexion oder technischen Intervention, gesetzt. Der Mensch, von dem man uns spricht und zu
dessen Befreiung man einlädt, ist bereits in sich das Resultat einer Unterwerfung, die viel tiefer ist als
er. Eine "Seele" wohnt in ihm und schafft ihm eine Existenz, die selber ein Stück Herrschaft ist,
welche die Macht über den Körper ausübt. Die Seele: Effekt und Instrument einer politischen Anatomie.
Die Seele: Gefängnis des Körpers." (1975a, 42)
Die Psychiatrie wird allein deshalb ‘gewaltfreier’, weil sie ihre Intentionen gewaltfreier durchsetzen kann. Sie
will Gewalt vermeiden, weil diese den therapeutischen Prozeß stört. Dabei gibt sie ihre Machtposition
nicht auf. Sie hat nicht eine ‘Befreiung’ des Irren zum Ziel, sondern seine gelungenere Anpassung.
4. Soziale Arbeit in der Psychiatrie
4.1. Eine Einführung
Soziale Arbeit ist heute zu einem wichtigen Bestandteil der psychiatrischen Versorgung geworden. Ihre Bedeutung
gewann sie in der Psychiatrie-Reform der letzten Jahrzehnte. Die alte "Verwahrpsychiatrie" galt als unmenschliche
und damit unhaltbare Institution. Das Ziel, die Großkrankenhäuser aufzulösen und durch ein gemeindenahes
Versorgungssystem zu ersetzen, hat die Reform nicht erreicht. Im Gegenteil: Die Kliniken haben sich modernisiert
und gehen gestärkt aus dem Modernisierunsprogramm hervor (Keupp 1995, 489). Diese Entwicklung war jedoch nur
durch die Beteiligung nichtmedizinischer Berufsgruppen, vor allem Sozialarbeiter, möglich. Für die große
Zahl der sogenannten "chronisch psychisch Kranken", deren "Verwahrung" die psychiatrischen
Anstalten am stärksten von normalen Krankenhäusern unterschied, wurden Heime geschaffen, in denen Sozialarbeiter
die Arbeit übernahmen. Ebenso in dem großen Bereich der Vor- und Nachsorge: betreutes Wohnen, Tagesstätten,
Übergangswohnheime, geschütztes Arbeiten, Beratung, Krisenintervention,... .
Ich will die Problematik, die ich in diesem Kapitel besprechen will, zuerst an einem Rückblick verdeutlichen.
4.2. Die offene Fürsorge
Die Überlegungen der Gemeindepsychiatrie sind so neu nicht. Sie entstanden gleichzeitig mit dem Beginn einer
sich als Wissenschaft verstehenden Psychiatrie. Während zu Beginn des 19.Jahrhunderts die "Übernahme"
der Irren zu einer ganzen neuen Reihe von Anstaltsgründungen führte (zwischen 1800 und 1860 gab es 90
Neugründungen) und als ideale Lage vor allem eine abgelegene ländliche Idylle galt, in der (aus romatischer
Perspektive) der Irre als wichtigstes Behandlungsmittel Ruhe und Ausgeglichenheit finden sollte, erkannten Anstaltsleiter
wie z.B. W. Griesinger oder C.F. Roller in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, daß "...es notwendig
war, nicht alle Bindungen nach draußen abzubrechen, sondern zumindest für einzelne geheilte oder gebesserte
Kranke eine tragfähige Brücke in das Leben der Gemeinschaft zu erhalten" (Haselbeck 1985). Es entstanden
"Irrenhilfsvereine" (in der Regel von aktiven Psychiatern gegründet und verwaltet), die die entlassenen
Irren bei der Wohnungs-und Arbeitssuche betreuten. Und es entwickelte sich eine "Familienpflege", d.h.
Irre wurden in fremden Familien gegen Vergütung untergebracht. Dieses waren die zaghaften Anfänge psychiatrischer
Sozialarbeit geleistet von Psychiatern.
Zu Beginn des 20.Jahrhunderts machte der sprunghafte Anstieg der Patientenzahlen (von 1880 bis 1919 in Preußen
um 400%; Bevölkerungszuwachs von 48%), der zu einer chaotischen Überfüllung der Anstalten führte,
als auch die damit verbundenen gewaltigen Kosten der Anstalten, eine effizientere Irrenbehandlung nötig. Es
etablierte sich die "Offene (Irren-) Fürsorge", die in den zwanziger Jahren in einem Umfang erreichte,
"dem wir uns erst langsam wieder annähern" (Haselbeck 1985, 172). Die sozialarbeiterischen Aufgaben
hatten zwei Funktionen (Hildebrandt 1988):
1.) Integration: Sicherung der Wohnungen bei Einlieferung bzw. Vermittlung von Wohnungen bei der Entlassung; Vermittlung
von Arbeitsplätzen; Sicherung der Lebensgrundlage für die Familien während der Unterbringung; Hilfe
für die Familien nach der Entlassung bei der Regelung des Alltags.
2.) Kontrolle: Überprüfung der Krankengeschichte; Anlegung von Karteien über nichtasyliierte, psychisch
auffällige Menschen, Schutz der "Gemeinschaft" vor den Handlungen der außerhalb von Anstalten
lebenden "Irren".
Für Psychiater bestand ein großes Interesse an den Langzeitverläufen der Kranken, die sich mit
Hilfe der "Offenen Fürsorge" gut dokumentieren ließen. Vor allem Vererbungsforscher nutzten
diese Möglichkeit zur Untersuchung an Familien.
Einer der bedeutensten Vertreter der "Offenen (Irren-) Fürsorge" Gustav Kolb formuliert die "allgemeinen
und besonderen Gründe für die Einrichtung der Fürsorge" 1927 folgendermaßen:
"Es ist die Selbsterhaltungspflicht des Staates, seine geistig minderwertigen Bewohner allmählich durch
eine offene psychiatrische Fürsorge zu registrieren, um zu verhüten, daß diese Elemente besonders
in einer neuen Umgebung in schweren Stunden einen Einfluß gewinnen, der nach ihrer geistigen Struktur fast
ausnahmslos ein schädlicher sein muß, ein verhängnisvoller werden kann." (Pötzel 1995,
40)
Hildebrandt kommt nach einer Betrachtung der praktischen Realisierung der "Offenen Für-sorge" zu
dem Schluß, "...daß sie von Anfang an faktisch eher ein Instrumentarium zur Rationalisierung der
Anstalt (im Sinne einer arbeitsteiligen Reduzierung der organisatori-schen Probleme der ärztlichen Tätigkeit)
gewesen ist als ein eigenständiger Bereich sozialpsychiatrischer Tätigkeit"(1988, 39). Sie ermöglichte
der Psychiatrie somit, die Irrenbehandlung in traditioneller Form weiterzuführen, weder medizinischen Krankheitsbegriff
noch Anstaltsunterbringung in Frage zu stellen, indem sie diese praktikabler und effizienter machte - sowohl in
Hinsicht auf ökonomische Belange, als auch in Bezug auf die psychiatrische Forschung.
Auf welch konsequente Weise dieses die folgenden Jahre durchgeführt wurde ist bekannt. Ich will darauf nicht
weiter eingehen. Entscheidend ist die Frage welche Rolle Soziale Arbeit heute im psychiatrischen Versorgungssystem
einnimmt. Kann sie sich heute auf eine eigene Theorie stützen? In welcher Form kann sie sich vom medizinischen
Denken abgrenzen? Dient sie auch heute nur als "Instrumentarium zur Rationalisierung der Anstalt"?
4.3. Die Funktion Sozialer Arbeit in der Psychiatrie
"Es gibt heute keinen Bereich der psychiatrischen Versorgung psychisch Kranker und Behinderter mehr, für
den nicht die Mitarbeit von Sozialpädagogen und Sozialarbeitern zweckmäßig ist und gefordert wird."
Dies stellte der Bericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages 1975 fest. Seitdem sind Sozialarbeiter
und Sozialpädagogen im außerstationären Bereich zur dominierenden Berufsgruppe geworden. Selbst
im stationären Bereich stehen ihnen nach der neuen Psychiatrie-Personalverordnung (1990) fast 50% der Personalbemessung
der Ärzte zu (Blanke 1995,176). Sie werden auf Akutstationen ebenso eingesetzt wie im Unterbringungsverfahren.
Trotzdem erscheint der Begriff des Sozialarbeiters in psychiatrischen Lehrbüchern nur äußerst selten.
Welche Hilfe erwarten Psychiater von Sozialarbeitern?
"Das Team erwartet vom Sozialarbeiter einerseits die optimale Anwendung der Sozialgesetze (...) sowie Beziehungsaufnahme
zu dem Anteil unserer Wirklichkeit, den die verschiedenen Verwaltungen darstellen. Aber darüber hinaus hilft
er dem Team und den Patienten, den sozialen Anteil der Welt überhaupt zu verstehen. Wenn der Arzt mit kranken
und gesunden Anteilen zu tun hat, dann der Sozialarbeiter mit normalen und abweichenden Anteilen. Er kennt sich
darin aus, welche Rand- und Problemgruppen es in der Gesellschaft gibt, welche Anpassungs- und Eingliederungsstörungen
bestehen und welche sozialen Bedingungen Kränkung und Gesundung bewirken können...Seine "Berufsgefahr"
besteht darin, als Sozialtechniker allem und jedem eine soziale Erklärung aufzupressen." (Dörner/Plog
1984, 57)
In der Empfehlung der Expertenkommission 1988 heißt es:
"Sozialarbeiter/Sozialpädagogen bringen gerade auch für den gemeindebezogenen, interdisziplinären
Versorgungsansatz wichtige Grundvorraussetzungen bereits mit. Sie haben es gelernt ‘ihre Klienten’ in der Vielfältigkeit
ihrer sozialen Bezüge wahrzunehmen und in die Interpretation persönlichen Verhaltens problemproduzierende
Lebens- und Arbeitsbedingungen miteinzubeziehen. Die Verknüpfung struktureller Bedingungen und psychosozialer
Konstellationen ist ein zentraler Bereich in der Beratungstätigkeit des Sozialarbeiters." (zit.n.Terbuyken
1997, 40)
Einerseits sollen Sozialarbeiter demnach optimale Verwaltungsarbeit leisten, andererseits den "hospitalisierten"
Berufsgruppen Kontakt zur sozialen Realität der Betroffenen ermöglichen, um zu einer "ganzheitlichen
Sichtweise" zu kommen. So die idealtypische Sicht, bei der Soziale Arbeit die eigenen Grundsätze in die
Psychiatrie einbringen kann.
Andere Stimmen verdeutlichen, daß Psychiater Sozialarbeiter eher ‘benutzen’, um ihre therapeutischen Ziele
besser durchsetzen zu können:
So sollen sie die "Patienten zur Einnahme eines Medikamentes überreden"(Helmchen zit.n.Lehmann 1986,
XIV) oder bewirken, daß "die Compliance des Patienten solchermaßen zunimmt, daß er während
der Anhörung erklärt, freiwillig in der Klinik zu bleiben, wodurch der "untherapeutische" Zwang
entfällt" (Schröder,u.a. 1993, 189). Diese Möglichkeiten hat der Sozialarbeiter deshalb, weil
er im Gegensatz zum Arzt "oft als eine Art "stiller Verbündeter" erlebt" (ebd.) wird.
Das niedrigere hierarchische Gefälle zwischen Sozialarbeiter und Patient (im Gegensatz zum Arzt - Patient
Verhältnis) wird in diesen Fällen ausgenutzt, um die ärztliche Intervention zu ermöglichen
bzw. erfolgreicher zu gestalten.
Welchen eigenen Anspruch haben nun SozialarbeiterInnen und wie setzen sie ihn durch? Wie verhalten sie sich zu
der in Kapitel 2 und 3 bescchriebenen Problematik?
4.4. Interview mit Lisa Schulze-Steinmann
Lisa Schulze-Steinmann, Dipl.-Sozialarbeiterin, Leiterin der Rehabilitationsstation der Abt. Sozialpsychiatrie
in der Medizinischen Hochschule Hannover; bis vor kurzem war sie Leiterin des Sozialtherapeutischen Dienstes im
Zentralkrankenhaus Bremen-Ost; vorher Arbeit im betreuten Wohnen in Bremen; Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft
für Soziale Psychiatrie(DGSP).
Besitzt die Soziale Arbeit in der Psychiatrie einen eigenen Stellenwert oder wird sie von der medizinischen Profession
nur benutzt, um die alte Verwahrpsychiatrie zu verschönern?
"Das glaube ich nicht. Meine Erfahrung ist, daß Sozialarbeit einen ganz eigenen Stellenwert hat. Wenn
man von der Position der Sozialarbeit in der Klinik ausgeht, ist diese Position sicher ganz untergeordnet - und
zwar der Medizin untergeordnet. Trotzdem haben die SozialarbeiterInnen dort eigene Bereiche und achten da wesentlich
mehr auf die Achsen Arbeit, Freizeit, Beziehung; also letztendlich auf den Lebensvollzug und versuchen da Hilfen
anzubieten: Hilfen zur Information, Hilfen zur Vernetzung von Diensten, Hilfen zum Zugang von Hilfsangeboten, emotionale
Unterstützung, Sicherung des Lebensunterhaltes. Ein wichtiger Schwerpunkt wäre, die Arbeitsachse verstärkt
mit einzubeziehen. Das machen viele Sozialarbeiter noch zu wenig... . Ich habe nicht den Eindruck, daß die
meisten Sozialarbeiter nicht einfach das medizinische Modell akzeptieren oder daß ihr Fokus ist: "Hat
der Patient seine Medikamente genommen?"
Aber der sozialarbeiterische Ansatz der Unterstützung unterscheidet sich doch grundlegend von der "Automechanikermentalität"
der Medizin (einen Schaden reparieren, um das Objekt wieder funktionsfähig zu machen) ?
Das stimmt, aber ich glaube das läuft parallel. Einerseits die medizinische Behandlung, die in der Regel von
neuroleptischer Behandlung ausgeht und Psychotherapie. Auf der anderen Ebene geht es darum Lebensvollzug zu sichern,
Lebensmöglichkeiten zu eröffnen oder auch zu stabilisieren; und das macht Sozialarbeit im Grunde parallel
zu dieser medizinischen Behandlung. Ob nun mit oder ohne Akzeptanz - an der Stelle können Sozialarbeiter auch
relativ autonom arbeiten. Es ist eher so, daß die Ärzte immer stärker in diesen sozialen Bereich
hineingehen, z.B. mehr beraten wollen oder mehr Hausbesuche machen wollen... Ich denke man kann sehr wohl Sozialarbeit
machen, unabhängig davon, wie man zu der medizinischen oder medikamentösen Behandlung steht. Es ist zwar
vielleicht ein wenig dürftig, da kritiklos nebenher zu arbeiten, aber man kann das.
Ich kann die Parallelität nicht erkennen. Soziale Arbeit ist der medizinischen untergeordnet, wird von Ärzten
‘verordnet’ und ist somit Teil der medizinischen Intervention. So lange sie dieser untergeordnet ist, bleibt sie
im medizinischen Denken gefangen.
Ich glaube nicht im medizinischen Denken - im medizinischen System. Das ist aber eher gut, denn: Unsere Psychiatrie
wäre sehr armselig ohne Soziale Arbeit. Wir haben aber Rahmenbedingungen, die Soteria-Behandlung in Deutschland
bisher noch nicht ermöglichen (in Frankfurt/Oder nur unter sehr bestimmten Bedingungen). Deshalb ist es an
normalen Krankenhäusern nicht möglich zu sagen, Soziale Arbeit macht Krisenbegleitung ohne Neuroleptika...
. Im Rahmen unseres Jobs haben wir keine Möglichkeit eine rundum Versorgung anzubieten. Andererseits gibt
es Situationen bei psychisch Kranken, wo es vital sehr bedrohlich und wo es hilfreich und entlastend werden kann,
Medikamente zu nehmen. An der Stelle finde ich es nicht falsch, daß eine Sozialarbeiterin das auch anbietet
- als eine Möglichkeit. Bei Krisen ist die erste Wahl von SA aber immer das Gespräch und eine erhöhte
Kontaktfrequenz... .
Gegen Hilfe spricht wenig, aber wie läßt sich "Hilfe wider Willen" rechtfertigen? Wie verhält
es sich mit der "erzwungenen Freiwilligkeit"?
Ich denke, das was du beschreibst passiert oft. Daß Menschen gezwungenermaßen freiwillig in die Klinik
kommen, weil sie wissen, wenn sie das nicht tun, bekommen sie einen Beschluß. Das ist aber sehr schwierig:
Wir haben z.B. gerade eine Frau auf der Station, die paranoid ist. Die Frage war Medikamente ja oder nein und wir
haben eindeutig gesagt, es gibt keinen Grund sie zwangszubehandeln. Aber diese Frau verläßt relativ
verrückt die Station, weil wir denken, daß sie nicht vital bedroht ist. Aber sie wird mit ihren Nachbarn
sofort wieder die Probleme haben, die sie vorher auch hatte. Ob ihr Leben sich zur Zeit durch Lebensqualität
oder Lebensfreude ausdrückt - weiß ich nicht. Aber ich weiß auch nicht, wie es unter Neuroleptikabehandlung
aussehen würde.
Die psychiatrische Theorie vertritt zur Zeit das Vulnerabilitätskonzept ? Ein Konzept, indem genetische, biologische,
psychologische und soziale Faktoren für die Entstehung psychischer Krankheit verantwortlich gemacht werden.
Welche Aussage macht ein solches Konzept noch, das im Grunde alle möglichen Faktoren einbezieht?
Ich denke, daß es gar nicht alle Aspekte erfaßt. Z.B. werden hauptsächlich Personen aus den unteren
sozialen Schichten behandelt: Also fehlen Aspekte wie Zugang zu Chancen, Bildung, materieller Ausstattung, Gesundheitsverhalten,
u.a. . Dann der Aspekt des Lernens: z.B. gelernte Hilflosigket oder Einsamkeit. Insofern halte ich das Konzept
für unzureichend. Nur wenn man diese Aspekte hinzufügt, würde es natürlich noch multifaktorieller
werden. Ich denke es ist aber so. Aus diesen vielen Ursachen kann psychische Krankheit entstehen.
Aber daraus kann doch alles entstehen. Wozu braucht man es dann noch?
Ja, das ist schon richtig. Aber für mich ist dieses Modell gerade die Möglichkeit den Medizinern deutlich
zu machen, daß deren Vorstellung von Stoffwechselprozessen im Hirn nicht ausreicht - und das es nicht ausreicht
unspezifische Neuroleptika anzuwenden.
Muß man nicht schärfer sagen, daß die medizinische Theorie und Praxis völlig unzureichend
ist und daß die einzige Profession, die Menschen mit psychischen Problemen zur Zeit hinreichend betreuen
kann, die Soziale Arbeit ist?
Ja. Ich denke das wirklich. Ich glaube, daß die Behandlung bzw. Unterstützung in der falschen Profession
liegt. Die Unterstützungsprozesse, die nötig wären, die Rahmenbedingungen, werden unsere Profession
so nicht ermöglicht. Die Definitionsmacht hat eine andere Profession, die dafür nicht ausgebildet und
nicht geeignet ist. Sie kommt auch aus Lebenszusammenhängen, die Galaxien von denen psychisch Kranker entfernt
sind. Um noch einen Bogen zurückzuschlagen: Auch wenn Sozialarbeiter sich in der Psychiatrie in Widersprüche
begeben oder wenn sie sich durch ihre Beteiligung an Zwangsmaßnahmen möglicherweise schuldhaft verhalten,
sind Sozialarbeiter und Sozialpädagogen die Berufsgruppen, die abends in ihrer Freizeit Vereine gründen,
die das Betreute Wohnen unterstützen usw. Es sind erst an zweiter und dritter Reihe Psychiater, die sich an
der Stelle aktiv beteiligen.
Welchen Einfluß hatte die Soziale Arbeit auf die Psychiatriereform?
Die Sozialarbeit hatte einen ausgesprochen großen Einfluß auf die Psychiatrie. Gleichermaßen
haben sich die Sozialarbeiter ihrerseits aber innerhalb der Psychiatrie überhaupt nicht durchsetzen können.
Uns ist es nicht gelungen, uns tatsächlich als Berufsgruppe auch mit einer Definitionsmacht zu etablieren.
Die engagierten Sozialpsychiater, die auch in der DGSP sehr stark sind, haben sich im Grunde sehr viele sozialarbeiterische/sozialpädagogische
Inhalte auf die Fahnen geschrieben. Das ist natürlich nicht falsch, aber es hat den Stand unserer Berufsgruppe
überhaupt nicht unterstützt. Das hat natürlich viel mit den Leuten aus unserer Berufsgruppe zu tun.
Wenn man sich auf einer Tagung sagen läßt, daß es egal sei, ob ich im Betreuten Wohnen ein SA
oder eine Hausfrau einstelle und sich das bieten läßt, ist es im Grunde kein Wunder, daß man als
Berufsgruppe einen recht geringen Stellenwert hat. Interessant ist, daß Forschungsergebnissen zufolge fachliche
Definitionen in unserer Berufsgruppe sehr gleich sind. D.h. bezogen auf bestimmte Sachverhalte kommen Sozialarbeiter
zu sehr ähnlichen Einschätzungen.
Was sind nun die besonderen Kompetenzen der Sozialen Arbeit?
Die Fähigkeit zur Beziehungsarbeit und genaue Eischätzungen von Lebenssituationen sollten die elementaren
Kompetenzen der SA sein. Sie müssen eine Menge über ihr Klientel wissen, d.h. sozioökonomische Ursachen
erfassen und Analysen durchführen können, und ein breites Netz von Hilfsmöglichkeiten auf dem Schirm
haben. Sie müssen in der Lage sein, Informationen zu vermitteln und für Menschen, die in Schwierigkeiten
stecken, Übergänge gut zu schaffen, ohne dabei narzißtische besetzt zu sein. Vieles ist einfach
auch ein managen von sozialen Situationen, von Ressourcen, von Nischen, Ideen entwickeln und viel Zeit und Geduld
in der Arbeit zu haben.
Und wie sähe eine ideale Situation aus?
Begleitung und Unterstützung sollte möglichst dort stattfinden, wo der Mensch sich überwiegend aufhält
und lebt. Bei einer Betreuung über einen längeren Zeitraum wäre meine ideale Vorstellung, daß
man freie arbeitende Teams hat, die den Menschen begleiten, wenn sie z.B. aufgrund einer Krankheit in ein Krisenhaus
oder eine Soteria-Behandlung oder in eine psychiatrische Klinik gehen, und ihn dort auch weiter betreuen und unterstützen
können - es also keine Brüche in er Beziehungskontinuität mehr gibt. Weiter sollte man die Einrichtung
"Heim" nicht mehr nutzen, statt dessen spezielle Hilfsangebote anbieten, wie z.B. dichtere Betreuungsformen.
Auch die Idee des "Asyls" ist gerade für die Menschen wichtig, die nicht in der Lage sind eine enge
Betreuung auszuhalten. Also erst mal nur die Schutzfunktion eines "Dach überm Kopf" und Essen und
jemand kümmert sich ohne bedrängend zu sein - ohne das man am Gruppenprogramm teilnehmen muß. Das
alles geht auch ohne Klinik. Trotzdem wird es uns nicht gelingen, die psychiatrischen Klinken aufzulösen.
Selbst in der "idealen" Soteria Situation wird es aber Menschen geben, die die Betreuung nicht wollen
und nach allgemeiner Ansicht Selbst- und Fremdgefährdend sind. Wo sind die Grenzen?
Natürlich hat Sozialarbeit Grenzen. Diese liegen aber nicht in der Berufsgruppe oder der Psychiatrie, sondern
haben etwas mit dem ethischen Verständnis zu tun. Es ist entscheident, sich darüber klar zu werden, ab
wann man einen Handlungsauftrag hat und ab wann man sich enthält. Die Untersuchungen aus der amerikanischen
Straßenpsychiatrie machen deutlich, daß psychisch Kranke, die in der Straßenpsychiatrie landen
eine Todesrate von 60% haben. Wenn man das zuläßt, ist das eine Form von "Sozialer Euthanasie".
Ich bin der Meinung, daß man diesen Menschen Angebote machen muß, so daß sie überleben können:
die Grundbedürfnisse, wie die Versorgung mit Lebensmitteln und das bereitstellen einer Unterkunft müssen
gesichert werden...
Aber Angebote sind etwas anderes als die gewaltsame Verhinderung eines Suizids ?
Ich denke die Frage des Suizids ist eine subjektive. Ich persönlich kann nicht zulassen, daß sich ein
Mensch suizidiert. Ich werde immer etwas tun; es ist für mich immer ein Handlungsauftrag.
Als Sozialarbeiter macht man dies aber berufsmäßig auf der Grundlage von Gesetzen und mit Machtbefugnissen.
Wir haben diese Rahmenbedingungen und ich arbeite in diesem System, aber meine eigenen persönlichen Leitlinien
gehen mir darüber hinaus und sind unabhängig von der Stellung im Job.
Verhindert die Psychiatrie Suizide?
Es gibt eine Krise nach der Entlassung. Das kann ein Rückfall sein; es kann auch ein Suizid sein....Ob das
nun Folge der Erfahrung einer Psychose oder der Wirkung psychiatrischer Behandlung ist, läßt sich schwer
sagen. Ich hab den Eindruck, daß die fundamentale Zerrüttung, die eine Psychose bei einem Menschen auslöst,
von der Psychiatrie oft nur mit Flickschusterei begegnet wird, d.h. die Puzzelteile werden ein wenig zusammengesetzt
und dann wird der Mensch wieder nach Hause geschickt.
Insgesamt, denke ich, greifen die Hilfen der Psychiatrie am stärksten bei kurzfristigen Krisen. Sobald Hilfen
aber in die Versorgung übergehen, in das von uns geschaffene System der Wohnheime, Tagesstätten, usw.,
wird es schwierig, denn dieses System hat relativ wenig mit Normalität zu tun. In diesem Bereich hat Psychiatrie
wenig erreicht.
Psychiatrie Erfahrene berichten aber, daß ihre Psychose nach sieben Tage intensiver Betreuung durchgestanden
sein kann. In diesem Bereich kann man sehr viel erreichen.
Welche Perspektiven siehst du für die Zukunft ?
Die psychischen und sozialen Probleme werden in unserer Gesellschaft immer mehr zunehmen. In meiner Ausbildungszeit
hab ich mich noch damit beschäftigt was ist, wenn wir allen Leuten erfolgreich helfen und wir am Ende unsren
Job auflösen. Zur Zeit ist die Erfahrung, daß wenn wir einen Menschen rehabilitieren stehen zwei neue
vor der Tür. Wo immer im Zuge des Sozialabbaus Stellen gestrichen werden, wird es sich gegen das gesellschaftliche
Zusammenleben wenden.
Schade ist es, daß es Sozialarbeitern nicht gelingt, mehr an eigenem Profil zu gewinnen und einen stärkeren
Berufsverband zu bilden. Wir müßten auch unser gesammtes Studium ändern. Wir werden permanent durch
Fremddisziplinen kolonisiert, anstatt von Sozialarbeitern ausgebildet zu werden. Wir bräuchten eine Möglichkeit
zu promovieren. Das setzt voraus, daß wir forschen. Wir würden in erster Linie unsere eigenen Arbeitsfelder
erforschen und könnten dann auch deutlich machen, wie eminent wichtig unsere Arbeit ist. D.h. Forschung, Dozenten
die unser Berufsbild repräsentieren und ein starker Berufsverband, könnten eine Chance gegenüber
der Psychiatrie darstellen. Dazu kommt vor allem, daß wir versuchen müssen, die Klinik als komplementär
zum System zu erleben und somit einzugrenzen. Das komplementäre System sollte vor allem durch Sozialarbeit
bestimmt werden und sich gegen die medizinische Definitionsmacht wehren.
Sozialpolitisch bräuchten wir eine Grundsicherung (höher als Sozialhilfe), die alle Lebensrisiken einbezieht.
D.h., daß wir nicht diese fünf bestehenden Leistungssäulen haben, sondern eine einzige Leistungssäule
für Lebensrisiken, egal ob wir arbeitslos werden, Sozialhilfeempfänger oder krank. Damit würde das
Gezerre zwischen den Leistungsträgern aufhören, bei dem Krankheit fast immer am Anfang steht.
4.5. Die Zuständigkeit und Kompetenz Sozialer Arbeit
"Ich glaube, daß die Behandlung bzw. Unterstützung in der falschen Profession liegt."
Diese Worte Deutschlands "ranghöchster" Sozialarbeiterin (in der Psychiatrie) sind deutlich. Soziale
Arbeit sei die Profession, die Menschen mit psychosozialen Problemen am angemessensten helfen kann. Warum ?
Weil Probleme "psychisch Kranker" Menschen letztlich immer soziale sind (Vgl.Jervis 1975, 35). "Psychische
Krankheit" läßt sich (wie gezeigt) nicht in medizinischen Parametern ausrücken, sondern nur
in einem bestimmten Maß einer Abweichung von einer gesellschaftlich gesetzten Norm . Verrückte kommen
erst dann mit der Psychiatrie in Kontakt, wenn sie diese nicht zu definierende Grenze überschritten haben.
Diese drückt sich meist in einer Abweichung in sozialen Bereichen aus. Sie gehen nicht mehr zur Arbeit, ‘verwahrlosen’
in ihrer Wohnung, werden gekündigt, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen, interessieren sich nicht mehr
für ihre Freunde, oder wirken abstoßend auf sie, usw. Die entscheidenden Probleme ergeben sich also
in den Bereichen Arbeit, Wohnung und Beziehung. Die Frage, ob diese Folge ("soziale Selektion") oder
Ursache ("soziale Verursachung") der Verrücktheit sind, bleibt offen. Fest steht, daß Verrückte
in dieser Gesellschaft ausgegrenzt werden (auch aus vielen sozialen Einrichtungen) und Opfer von Gewalt sind. Sozialarbeit
hat "Probleme der Unterprivilegierung der fehlenden materiellen Ressourcen, also der Armut und der Unterstützung
in belastenden, unterprivilegierten, ausgegrenzten Lebensverhältnissen" zum "Gegenstand" (Thiersch
1996). Sie ist somit die "zuständige Profession".
Die Zuständigkeit scheint nur sinnvoll, wenn auch Handlungsmethoden existieren, die Probleme ‘lösbar’
machen. Die klassischen Methoden der sozialen Einzelfallhilfe, sozialen Gruppenarbeit und der sozialen Gemeinwesenarbeit,
die angestrebte humanistische Grundhaltung und die alltags- und lebensweltorientierten Interventionen haben längst
in der Psychiatrie Einzug gefunden. Besonders in der Gemeindepsychiatrie sind diese Methoden längst integriert.
Vom heutigen Standpunkt aus erscheint die gesamte Psychiatriereform als Prozeß der Integration von Konzepten
Sozialer Arbeit in die Psychiatrie: Arbeitsbereiche wie z.B. Selbsthilfe, Angehörigenarbeit, Beratung, Tagesstrukturierung,
Hilfen zur Arbeit, usw. sind natürlich nicht nur von Sozialarbeitern ‘erfunden’ worden und nicht nur ausschließlich
von diesen zu leisten, aber sie finden sich nicht im Stundenplan eines Medizinstudenten.
In dem Bestreben, den Menschen ernst zu nehmen, d.h. seine Aussagen nicht zu deuten, zu" durchleuchten"
oder sie als Symptome irgendwelcher Krankheiten zu betrachten, sondern die Selbstbeschreibungen, Ängste und
Aggressionen als einzig ‘wahre’ Aussage gelten zu lassen, liegt meines Erachtens die Kompetenz Sozialer Arbeit
und die Differenz zu medizinischem und psychologischen Ansätzen:
Der Arzt ist im Team der, "der am besten mit den körperlich kranken Anteilen eines Menschen umgehen kann"
(Dörner/Plog 1984, 57). Der Sozialarbeiter dagegen soll "Hilfe zur Selbsthilfe" leisten, so daß
der Betroffene "wissen kann, mit welchen Normen in seiner Gruppe er in Konflikt geraten ist und wie er - für
sich stimmig - den Konflikt lösen kann" (ebd.).
Sozialer Arbeit betreibt hier Konfliktmanagment, d.h. es geht in ihrer Arbeit um ein Aushandeln von Interessen
und den daraus entstehenden Konflikten. Damit betreibt sie keine Individualisierung der Probleme, wie bei der medizinischen
und psychologischen Intervention, sondern verdeutlicht dem Betroffenen sein ‘Eingebundensein’ in die Gemeinschaft.
Mit der Methode des "Case Managment" ("Unterstützungsmanagment" oder "fallweise Unterstützung")
gelingt es ihr das soziale Umfeld des Betroffenen (möglichst) optimal einzubeziehen. Im psychiatrischen Kontext
sind dabei besonders die Leitlinien "Kontextualisierung, Normalisierung und Machtzuwachs" (Mosher/Burti
1992) zu beachten. D.h. die durch die "Psychose" bzw. die pychiatrische Intervention zerrissene Lebensgeschichte
soll wieder aufgenommen werden und die psychiatrische Versorgung abgelöst werden durch gestärkte eigene
Lebensführung.
Nun wird an diesem Punkt eingewendet, daß eine medikamentösen Intervention dem Betroffenen erst wieder
die Möglichkeit gibt, seine Außenwelt realistisch einzuschätzen und dann auch dem entsprechend
zu handeln. Erst sie schafft einen Zugang zum Betroffenen, so daß sozialarbeiterische bzw. psychotherapeutsche
Maßnahmen überhaupt möglich werden. Das Soteria-Projekt tritt den Gegenbeweis an:
Der Soteria-Ansatz beinhaltet eine weitgehend medikamentenfreie Form der intensiven begleitenden Behandlung "schizophrener"
Menschen in kleinen überschaubaren therapeutischen Milieus. Er geht zurück auf die Idee der "therapeutischen
Gemeinschaft" und wurde in Kalifornien und Bern wissenschaftlich begleitet (Mosher/Burti 1992; Ciompi,u.a.
1992). Dabei zeigte sich, daß "der Einsatz von Medikamenten bei Menschen in psychotischen Krisen weitgehend
durch therapeutische Beziehungen i.S. einer intensiven kontinuierlichen Begleitung ersetzt werden kann, daß
also die Medikamente nicht eine Krankheit heilen, sondern Menschen ersetzen, die auch ohne Medikation die in psychotischen
Menschen innewohnende Kraft zur Rückkehr, quasi zur Gesundung wirksam werden lassen können." (Aderhold
1997, 27) Wesentliches Prinzip der Soteria ist dabei das "Dabeisein" ("Being with"). In den
ersten Tagen findet dabei eine 1:1 Betreuung statt, die in erster Linie eine ständige mitmenschliche Begleitung
und Stützung ausdrückt. Wesentliches Ziel ist die Beruhigung.
Dieses Projekt durchbricht also die "herrschende Meinung", daß Irre nur mit Medikamenten wieder
‘normal’ werden können. Zusätzlich stellt es die Notwendigkeit einer Professionalität in Frage:
In Bern waren fast 50% der Helfer Laien. Ausgesucht nach "Motivation, Lebenserfahrung und emphatischen Fähigkeiten
im Umgang mit Schizophrenen" (Ciompi,u.a. 1992, 310).
Meiner Ansicht besitzt Soziale Arbeit danach die Voraussetzungen, die gesellschaftlich unterprivilegierte Gruppe
der Verrückten in dem Sinne zu betreuen, ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Mit ihrem ganzheitlichen
Arbeitsansatz, ihrer Methodenvielfalt und ihrer lebensortnahen Arbeit hat sie meiner Ansicht nach die besten Möglichkeiten,
verrückten Menschen bei ihren Schwierigkeiten zu helfen.
4.6. Soziale Arbeit in der Psychiatrie ?
Meines Erachtens kann Soziale Arbeit, solange sie sich nicht deutlich vom medizinischen Kranheitsbegriff und der
darauf gründenden Behandlung mit Psychopharmaka und der Verbindung von Hilfe und Zwang trennnt, nicht den
Ansprüchen ihrer Klientel gerecht werden. Solange ein ganz normales Kaffeetrinken als ‘heimtückischer’
Versuch der Professionellen angesehen werden kann, den Betroffenen zur Medikamenteneinnahme zu überreden (Lehmann
1986, 318) oder das Aufsuchen einer Kontakt- und Beratungsstelle mit der Angst verbunden ist, Opfer von Zwangsmaßnahmen
zu werden, können sich sozialarbeiterische Grundsätze nicht durchsetzen:
- "Das menschliche Individuum habe Würde, Wert aus sich heraus und sei glaubwürdig.
- Das Individuum habe das Recht, seine Bedürfnisse und die Art ihrer Befriedigung selbst zu bestimmen.
- Jedes Individuum in den westlichen Demokratien habe Chancengleichheit mit den anderen Individuen, die allein
durch die Art seiner angeborenen Fähigkeiten begrenzt werde.
- Die angenommenen Werte, Rechte und Chancen des Individuums ständen in Beziehung zu seiner sozialen Verantwortung,
die es sich selbst und den Erscheinungsformen von Gesellschaft (z.B. Familie, Betrieb, Ortsgemeinde) gegenüber
habe."(Krauß 1996)
Die Soziale Arbeit ermöglicht der medizinischen Psychiatrie ihre Erfolglosigkeit und ihre Gefährlichkeit
zu verheimlichen. Sie sollte sich selbstbewußt davon trennen und vielmehr Wert auf die Initiative Betroffener
legen.
5. Soziale Arbeit in der Antipsychiatrie
5.1. Antipsychiatrische Organisation ehemaliger Psychiarie-Patienten
"Antipsychiatrie - gibt es die denn noch? Ja, aber nicht mehr als universitären Ausfluß der 68er,
auch nicht als reformerische Variante der Psychiatrie à la Italien, der Sozialpsychiatrie oder gemeindenaher
Anstaltsfortsätze. Sondern, und das ist das Neue, initiiert und getragen von kritischen Psychiatrie-Betroffenen,
den eigentlichen ExpertInnen in Sachen Psychiatrie, und orientiert am Recht auf Selbstbestimmung, körperliche
Unversehrtheit und soziale Unterstützung."
So beginnen Kerstin Kempker und Peter Lehmann ihr 1993 herausgegebene Buch "Statt Psychiatrie" (erschienen
im Antipsychiatrieverlag). Es ist eine Sammlung von Texten ehemaliger Psychiatrie-Patienten und Psychiatrie Kritiker,
die sich nicht nur gegen die Theorie und Praxis der Psychiatrie wendet, sondern eine neue (antipsychiatrische)
Praxis vorschlägt. Gemeinsam sind die Ablehnung des medizinischen Krankheitsbegriffs, der Zwangspsychiatrie
und der Behandlung mit Psychopharmaka. Sehr unterschiedlich sind dagegen die Konzepte zur Verrücktheit und
die Ideen zu Hilfen. Es wird deutlich, daß Verrücktheit "Ehrentitel oder Krankheit, Depression
oder Erleuchtung, Leiden, Freude, Intensität, Vision, Krise, notwendiges Chaos, befremdlich oder einzig echt"
(26) bedeuten kann. Die Antworten auf die Frage "Was mir hilft, wenn ich verrückt werde?" fallen
dementsprechend unterschiedlich aus. Thilo von Trotha gibt eine sehr differenzierte Antwort, die das weite Spektrum
der Schwierigkeiten verdeutlichen und die ich deshalb so ausführlich zitieren werde. Hier seine "...Bitten
an alle, die in meiner Nähe sind, sollte ich noch einmal in meinem Leben für Verrückt gehalten werden:
1. ‘Getraut Euch nicht, in das ‘fremdartige Uhrwerk’ einzugreifen, auch wenn es ‘nicht richtig tickt’! (...)
2. Vermeidet unter allen Umständen auch nur den geringfügigsten Kontakt mit der Psychiatrie und zwar
in allen (...) Varianten! (...) Deshalb:
3. Bleibt so viel wie irgend möglich bei mir, physisch anwesend und persönlich erreichbar!
4. Überschreitet dabei aber niemals die Grenzen Eurer eigenen Belastbarkeit! (...)
5. Wenn die Zwangseinweisung trotz eurer Zurückhaltung nicht vermieden werden konnte, achtet darauf, daß
die Verfügungen für diesen Fall, die ich in meinem Psychiatrischen Testament niedergelegt habe (...),
eingehalten werden. Ich bitte Euch darum zu respektieren, daß ich ohne Ausnahme lieber physischen Zwang (Einsperrung,
Fixierung, selbst Schlägen und anderen Formen körperlicher Disziplinierung) ausgesetzt sein will, als
auch nur ein Milligramm irgendeines Neuroleptikums zu schlucken, selbst wenn Ihr diese Haltung nicht teilt und
vielleicht sogar darunter (mit-)leidet.
6. Wenn ihr könnt, versucht mich rauszuholen und bedenkt dabei, daß jeder Ort (...) mir bessere Überlebenschancen
und größerer Aussichten bietet, mein außerordentliches Gebaren wieder nachvollziehbaren Regeln
anzugleichen, als eine Irrenanstalt, und sei sie noch so ‘fortschrittlich’, ‘human’ oder ‘offen’.
7. Auch wenn ich fremd oder verwirrt auf Euch wirken sollte, versucht nicht, Euch zu verstellen, auch nicht in
bester Absicht, sondern reagiert, wie ich es von Euch gewohnt bin! (...) Ihr werdet mich in einem solchen Moment
nicht begreifen. Laßt Euch davon nicht allzusehr irritieren! (...)
8. Dennoch bitte ich Euch, mir zu helfen, wenn ihr bemerkt, daß ich in meinem Leben (...) ein nur schwer
wieder zu ordnendes Chaos anrichte. Versucht mich in einem solchen Fall (...) von diesen Bereichen fernzuhalten
und mich zu überreden, an einem ruhigen Ort den Lauf der Dinge erst einmal abzuwarten. Mir ist bewußt,
daß dieser Wunsch in Widerspruch zu der zuvor geäußerten siebten Bitte geraten kann. Doch läßt
sich nicht alles hypothetisch regeln, so daß ich keinen Weg sehe, dieses Dilemma prinzipiell zu vermeiden.
9. Am Selbstmord möchte ich gehindert werden, notfalls auch mit Gewalt. Doch bildet diese Situation einer
‘Selbstgefährdung’ das klassische Alibi für alle psychiatrischen Zwangsmaßnahmen. Deshalb bitte
ich Euch darum, auch dann niemals die Psychiatrie einzuschalten, wenn Ihr den Eindruck gewonnen habt, ich könnte
meinem Leben ein Ende setzen. (...)
10. Vertraut darauf, daß die verrückte Phase in meinem Leben - wahrscheinlich früher als ihr denkt
- abklingen wird!(...)
11. Es könnte sein, daß ich in einer Zeit, in der das, was ich sage und unternehme, ungewöhnlich,
zusammenhanglos oder übertrieben wirkt, auf ebenso verrückte Weise produktiv bin.(...) Bewahrt diese
Zeugnisse für mich auf, da sie später zu Schlüsseln für die Rekonstruktion und Verarbeitung
des wahnsinnigen Erlebens werden können!
12. Seht in mir nicht einen Kranken, der einen Rückfall erleidet, sondern jemanden, der aus zwingenden, wenn
auch nicht unbedingt offensichtlichen Gründen genötigt ist, seine Position zu den anderen und zu sich
selbst in ein neues Verhältnis zu verrücken!" (43ff)
Von Trotha beschreibt hier meines Erachtens sehr eindringlich die Problematik: Neben seiner klaren Ablehnung der
psychiatrischen ‘Hilfe’ steht das Bedürfnis (was auch nicht sehr verwunderlich ist) nach einer intensiven
menschlichen Nähe. Diese steht immer in der Gefahr bevormundend zu sein. Besonders bei solch außergewöhnlichen
Zuständen wie der Verrücktheit gerät sie in Widersprüche und an ihre Grenzen. Einerseits soll
sie nicht eingreifen und der verrückten Phase ihre Freiheit zubilligen, andererseits auf Gefahren achten und
diese notfalls auch mit Gewalt verhindern. Die beschriebenen Bitten verlangen von der Beziehung ein großes
Maß an Kraft, Vertrauen und Mut. Inwieweit ist es möglich solche Beziehungen aufzubauen?
Im Westteil Berlins gründete sich 1980 die Irren-Offensive als eine autonome Selbsthilfe-Organisation ausschließlich
Psychiatrie-Betroffener. In dieser wurde Beratung, Hilfe und Schutz vor psychiatrischer Gewalt angeboten. Wie bei
allen Selbsthilfegruppen war der Kontakt mit anderen Betroffenen, die ähnliches erfahren haben, erstenmal
das wichtigste (Stöckle 1993, 333). Sogleich war es jedoch Ziel offensiv Widerstand zu leisten. Ein Irren-Offensivler:
"Ich bin am bürgerlichen Leben zerbrochen. Soll ich mich jetzt auch noch schämen, in einer Klapsmühle
gewesen zu sein, die das Werk eben dieser Bürger ist?" (ebd.) Nach außen zu gehen, und zu zeigen,
"wie ‘normal’ das ist verrückt zu sein. Einfach auch anderen zu zeigen, wie schnell so was geht, daß
man in eine Klinik kommt" (ebd.)
Nach Differenzen der Mitglieder gründeten einige 1989 den "Verein zum Schutz vor psychiatrischer Gewalt
e.V." und arbeiteten an der Einrichtung des Berliner "Weglaufhauses" (Wehde 1991). Dieses bietet
Menschen Schutz und Hilfe, die aus psychiatrischen Einrichtungen geflohen sind (Ich werde darauf noch später
eingehen). Inzwischen gibt es eine Reihe antipsychiatrischer Initiativen in Deutschland, sowie auf Bundesebene
den Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener (BPE) und einige internationale Dachverbände.
5.2. Interview mit Renè Talbot
Renè Talbot, Vorstandsmitglied des Landesverbandes Psychiatrie-Erfahrener Berlin/Brandenburg e.V.; Vorstandsmitglied
der Irren-Offensive e.V.; Initiator des Foucault Tribunals zur Lage der Psychiatrie: "Macht Wahn Sinn"
(30.4.-3.5.1998 Berlin).
Wenn es die Zwangsmöglichkeiten der Psychiatrie nicht mehr geben würde, prognostizieren psychiatrisch
Tätige, daß "psychisch Kranke" in die Obdachlosigkeit und Armut ausgegrenzt werden bzw. im
Gefängnis landen.Gerade Szasz wird dies vorgeworfen.
Szasz wendet sich gegen die staatliche Gewalt, die definitorische Gewalt. Er hat ausdrücklich nichts dagegen,
daß Menschen Koalitionen schließen, um ihre Interessen zu vertreten.
Wenn sich die Lohn- und Gehaltsabhängigen mit den Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern, den "Unproduktiven"
zusammenschließen, damit die als Konkurrenten bei Tarifverhandlungen um den Lohn nicht mehr in Frage kommen.
Die lange Geschichte dieser Konkurrenz, bei der sich die Lohnabhängigen natürlich selber geschwächt
haben, aufzubrechen, ermöglicht eine ganz neue Sichtweise. In diesem Moment müssen die Lohnempfänger,
die sowieso die Produktion nicht kontrollieren können (mit Ausnahme ihrer Kaufentscheidung), in den Tarifverhandlungen
klären, was der Lohn inklusive aller Sozialleistungen ist. Wenn es als kompaktes Paket verhandelt wird, findet
eine staatliche Definition [der Sozialleistungen?] nicht mehr statt und die Lohnempfänger können nicht
gegeneinander ausgespielt werden. Gerade durch die aktuelle Entwicklung der angeblich schrumpfenden Arbeit könnte
ich mir mehr Zeit z.B. mit Wahnsinn, mit Krankheit, Spielerei oder längerer Ausbildung neben Zeiten der Arbeit
leisten. Das muß natürlich bezahlt werden. Das geht nur, wenn in Tarifverhandlungen ein solcher Lohn
erreicht wird, der dieses zuläßt. Damit ließe sich die Ausgrenzung der Unproduktiven aufheben.
Das ist natürlich gesellschaftliche Utopie: einen gesicherten Lebensunterhalt zu haben, ohne arbeiten zu wollen;
sich Auszeiten gönnen zu können ohne eine ärztliche Krankschreibung zu benötigen.
Ich spreche deswegen so viel darüber, weil in dem Moment, wo wir sagen, die Zuschreibung unproduktiv/produktiv
gibt`s nicht mehr, zeigt sich, daß der Wahn ein fabrizierter ist, indem wie er zugeschrieben wird. Es ist
dann ein anderer Glaube, der aber nicht mehr sanktionierbar ist. Und das sagt Szasz: Lediglich kriminelle Handlungen,
dürfen das einzige Kriterium sein jemanden einzusperren. Alles andere sind gesellschaftliche Tauschverhältnisse.
Sind unsere Mordphantasien immer so dominierend, daß wir uns nur vorstellen können, wir werden alle
gleich aufeinander losgehen, wenn der Staat nicht mehr dauernd brachial reinhaut ?
Von dieser Situation sind wir noch weit entfernt. Würde die Aufhebung des psychiatrischen Zwangs zur Zeit
nicht zu einer wesentlichen Verschlechterung der Situation Verrückter führen?
In dem Moment, wo man akzeptiert, daß der Zwang aufhört - aus Prinzip, weil es erstens medizinisch fremd
ist; zweitens verdeckte Gewaltverhältnisse sind, die staatlich legitimiert werden; drittens man dieses auch
noch selber bezahlen muß - bedeutet dies erstmal nicht, daß Menschen sich nicht auch zwangsweise behandeln
lassen könnten. Wenn sie dies wollen, können sie es in einem positiven psychiatrischen Testament festlegen.
Das traditionelle Argument der Irren-Offensive ist ja, daß es weniger Selbstmorde geben würde, weil
in der Psychiatrie so viele Selbstmorde passieren und die Kränkung durch die Psychiatrie das Selbstbewußtsein
so erschüttert hat, daß nach der Entlassung so viele passieren. Das andere Argument ist meiner Ansicht
nach noch wesentlicher, denn selbst wenn wir mehr Selbstmorde hätten, ist das kein Argument gegen die Auflösung
der Zwangspsychiatrie: Denn das hieße ja, daß wir die DDR wollten, weil es in der DDR ‘inklusive’ Mauertoten
weniger kriminelle Handlungen bzw. Mord und Totschlag gegeben hat. Dies ist eindeutig belegt. Offensichtlich ist
das ein Preis der Freiheit, den wir alle akzeptieren.
Wenn ihr nicht mehr von Ärzten u.a. definiert werdet, löst sich euer Betroffenenstatus auf?
Das Rosenhan-Experiment hat ja nun gezeigt, daß es am ehesten die Verrückten waren, die zwischen Verrückten
und Normalen unterscheiden konnten.
Wenn es ein inneres Wahrnehmen der Welt gibt, was von außen wie Wahnsinn aussieht, dann ist die Isoliertheit
dessen was man dabei erlebt - daß die andere Welt einem nicht mehr folgen kann - eine existentielle Erfahrung,
die von außen nicht durchschaut werden kann. Wenn Menschen in dieser sozialen Isolierheit ihrer Erfahrung
stehen, können sie berührt oder so etwas wie ‘verstanden’ werden, noch am ehesten von anderen, die diesen
Zustand schon kennengelernt haben und nachvollziehen können. Erst dann, wenn ich den Wahnsinn nachvollziehen
kann, kann ich ihn soweit verstehen, daß ich ihn begrifflich überhaupt noch fassen kann. In dem Sinne
ist es dann keine Diagnose mehr; aber Verrückte können noch am ehesten beurteilen - objektiv ist dieses
sowieso unmöglich - ob jemand wahnsinnig ist. Vom Nachvollziehen her können sie es am ehesten verstehen
und begreifen und auch überlegen welche Hilfe möglich ist. Grundsätzlich bleibt das radikale Zugeständins
an die Subjektivität in dieser Frage, die keine objektive Zuschreibung vom Prinzip her ermöglicht. Es
wäre eher eine Art Kirchenbildung - ein Glaube von dem Standpunkt, wie man die Welt anders erlebt hat, läßt
einen zu Gemeindemitglied werden.
Muß man nicht unterscheiden zwischen Menschen, die solch verrückten Erfahrungen gemacht haben, und solchen
die aufgrund sozialer Verhältnisse das Leben nicht mehr ertragen?
Ein Stück weit würde ich die Trennung wirklich akzeptieren. Es gibt Menschen, die in sogenannten melancholischen
oder depressiven Zustand kommen, wo sie so isoliert sind - also wie eine Blume, die kein Wasser mehr kriegt, vertrocknen.
Da sind Hilfsangebote sicher hilfreich; wenn sie sich jedoch mit Zwang verbinden, wirken sie eher kontraproduktiv,
weil sie die Selbstverzweiflung noch mal verstärken. Es bleibt trotzdem eine Grenzerfahrung. Also wer einen
Selbstmordversuch hinter sich gebracht hat und medizinisch gerettet wurde - wie jeder der in Lebensgefahr ist möglichst
medizinisch gerettet werden sollte, was natürlich nichts mit der Zwangspsychiatrie zu tun hat, wie Magen auspumpen
usw. - hat eine Grenzerfahrung gemacht, im Vergleich zu sonstiger Alltagserfahrung oder Normalität. Es gibt
eine Menge Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten.
Aber wie geht man mit Suizidgefährdeten um? Man wird schlecht im Sinne einer akzeptierenden oder bestärkenden
Haltung sagen können, "nun bring dich doch um". Agiert man in diesen Situationen nicht immer manipulierend
- ähnlich einer pädagogischen Intervention?
Ich bin natürlich immer für glückliche Menschen. Die Schwierigkeit beginnt aber da, wo es mit Professionalität
zusammenhängt. Professionalität schließt eine Liebesbeziehung ja gerade aus. Zerbrochene Beziehungen
sind aber oft das Problem, insoweit ist es schwierig, dieses durch ein Betreuungsverhältnis zu lösen.
Es sind reale Schwierigkeiten in der Welt, die einen dazu gebracht. Deshalb muß man im Grunde genommen immer
sagen, die realen Schwierigkeiten müssen beseitigt und die realen Verhältnisse so verändert werden,
daß der Mensch einen guten Grund hat wieder glücklich zu sein. Wenn man ihm Hilfe anbietet und diese
möglichst noch von in diesem Zustand Erfahrenen geleistet wird - nichts dagegen.
Nur manche Menschen nehmen diese Hilfe nicht an - aus Überzeugung, aus Angst, mangelndem Selbstvertrauen oder
"erlenter Hilflosigkeit". Muß man hier nicht Zwang anwenden?
Wenn ich eine Beziehung zu einem Menschen habe, werde ich ihn natürlich auch mit Gewalt daran hindern, vor
die U-Bahn zu springen. Aber das verantworte ich dann dem Menschen gegenüber. Er kann mich danach wegen Körperverletzung
anzeigen. Das ist aber kein Problem, weil ich es ihm gegenüber verantworte. Und nicht weil ich mich auf eine
staatliche Gewalt stütze, sondern weil ich den Menschen seinetwegen liebe und damit auch zum Ausdruck bringe,
daß mir soviel an ihm liegt (und auch das Risiko eingehe, daß er mich später anzeigt).
Aber das ist doch gerade ein Gedanke der sozialstaatlichen Intervention dort so beschützend aufzutreten, wo
solche Beziehungen nicht da sind.
Da bleibt aber immer die Frage, ist es ein Hilfsangebot, oder ein professionalisierter Zwang, wo Leute dafür
Geld kassieren, daß sie andere zwangsbehandeln können. Das ist ein Verhältnis, das es nicht geben
darf. Wenn das der Fall ist, ist jeder Terror gerechtfertigt. Es muß ein Prinzip sein, daß Hilfe nachgefragt
wird und nicht etwas Oktroyiertes, Zwang ist.
Welche Rolle spielt SA zur Zeit in der psychiatrischen Versorgung?
Die erste Frage ist natürlich, wie ordnet sie sich selber ein? In der Regel ordnet sich die SA im medizinischen
Apparat immer in der Hierarchie unter die Ärzte. Also Ärzte verschreiben SA und dann wird SA geleistet.
Bezogen auf die Zwangspsychiatrie sind sie erstmal natürlich fein raus, da sie keine unmittelbare Gewalt ausüben.
Dazu brauchen sie die Ärzte. Insofern sind sie in einer Zwischenposition. Je nachdem wie ernst sie diese "segensreiche
Liebe" zu ihren Klienten nehmen, um so bevormundender werden sie natürlich, was das Verhältnis immer
trübt. Bevormundungsverhältnisse sind ja keine wirklichen Liebesbeziehungen (die sind ja wieder genau
tabuisiert), sie sind (marxistisch gesehen) entfremdete Beziehungen und Wertbeziehungen, die sich über Verdienste,
also Professionalität legitimieren. Deshalb muß der SA, als derjenige der sich verkauft, dem Rechenschaft
ablegen, der ihn bezahlt: der öffentliche Dienst, der Staat, kirchliche Träger - aber nicht den Betroffenen.
Auf alle Fälle ist er natürlich im System drinnen; und das System kennt Zwangseinweisungen. Wenn jemand
aus irgendeinem Gefühl heraus irgendeine Prophezeiung erlebt - und sei sie noch so astronomisch -, ihm dann
unterstellt wird, er sei gefährdend oder selbstgefährdend, muß der Sozialarbeiter die Einweisung
veranlassen, weil ihm sonst nachher unterstellt werden könnte, er hätte Hilfeleistung unterlassen. Solange
es das Zwangssystem gibt ist er in diesem Dilemma und kann sich beinahe nur durch Nicht-Professionalität entziehen.
Bei uns in der Irren-Offensive ist es die Überzeugung, daß die Psychiatrie zerfällt, sobald sie
den Zwangscharakter preisgibt. Das bleibt natürlich eine Spekulation - es kann sein, daß sich Psychiatrie
als freiwillige Psychiatrie in irgendeiner Form hält.
Wie bewertet ihr die Soziale Arbeit im Vergleich zur medizinischen oder psychologischen?
Wenn man die landläufige Sicht übernimmt, daß Sozialarbeit Partei ergreift für einen Armen
und Entrechteten (oder Ohnmächtigen und Beleidigten), indem sie die Möglichkeiten und Chancen, die es
im System gibt, kennt und sie nutzt, um sie seinem ,Partner’ mitzuteilen und dessen Lebensverhältnisse zu
verbessern, dann ist die Tätigkeit eines SA diametral entgegengesetzt zu der des Psychiaters. Sie ist somit
eine zu Aktzeptierende. Es haben auch viele gesagt, statt mit einem Psychiater mit einem SA zu sprechen, nach all
den Dramen die da passieren und dann zu einer psychiatrischen Diagnose führen, wäre viel gewonnen.
Aber das Problem bleibt: Inwieweit ist man ein Agent des Systems, also jemand, der auf Normalisierungsprozesse
hinaus handelt - also ein Pädagoge der erzieht und belehrt, wobei die Frage ,Wohin erziehen?’ immer problematisch
bleibt, weil er nicht vom Betroffenen bezahlt wird. Wenn das Geld direkt an die Betroffenen ausgeschüttet
werden würde, und die den Sozialarbeiter bezahlen würden, dann wäre es ein klares Dienstleistungsverhältnis.
In welcher Form kann Sozialarbeit in der Antipsychiatrie erfolgen?
Die erste und wichtigste Voraussetzung ist die Auflösung des Zwangs - der Zwangsbehandlung und Zwangseinweisung.
Unter dieser Voraussetzung wäre unter Regie von Verrückten, Wahnsinnigerklärten oder Menschen, die
diese Erfahrung gemacht haben, ein Krisen- oder Notdienst (oder Hilfstruppe) zu entwickeln, der Sozialarbeiter
anleitet und als unterstützende Kräfte anstellt, um Menschen Hilfe ermöglichen zu können.
Das was heute Sozialpsychiatrie heißt löst sich dann auf in Sozialarbeit unter der Regie der Betroffenen/Psychiatrie-Erfahrenen.
Praktisch bedeutet das: "Der, der sich beschwert, dem wird geholfen". D.h. kurzfristig würde z.B.
einem Nachbarn von einem Menschen, der sehr viel schreit, Entlastung und Entspannung angeboten, z.B. Urlaub; mittelfristig
müßte mit dem auffälligen, störenden Menschen z.B. eine Wohnung gefunden werden, in der er
keine Nachbarn stört. Wenn die psychiatrische Begrifflichkeit sich auflöst, müßte man gesellschaftlich
akzeptieren, daß es einen Bereich von Luxus und Verschwendung gibt, wo wir es uns erlauben, Menschen die
unproduktiv sind, weil sie nicht wollen oder nicht können, z.B. in einem Hotel umsonst übernachten zu
lassen. Dies ist schließlich auch die alte Asyl-Idee und man müßte es ihnen zubilligen.
Aber Psychiatrie-Erfahrener zu sein, muß ja nicht unbedingt bedeuten, daß man anderen besser helfen
kann.
Aus der Grundkategorie des Nachvollziehens heraus meine ich schon. Zumindest, daß sie die richtigen Anweisungen
geben können, die Regie führen können. Und das in einer ganz anderen Art als der Arzt in seiner
objektivierenden und zuschreibenden Art. Zu diesem Modell ist natürlich noch ein weiter Weg zu beschreiten.
Aber mit Bedürfnissen wachsen auch die Fähigkeiten.
5.3. Soziale Arbeit und Antipsychiatrie
Die Forderung für eine Zusammenarbeit sind eindeutig: kein Zwang; keine therapeutischen oder pädagogischen
Maßnahmen; Sozialarbeiter werden geleitet von Betroffenen. Sozialarbeit wird hier als reine Dienstleistung
gefordert. Die ‘therapeutische’ Arbeit muß sie abtreten an die eigentlichen ‘Experten’, die Betroffenen selbst.
Aber warum diese?
"Also, ich glaube, daß dieses Irresein, Verrücktsein ein Zustand ist, der unnormal ist, vom Normalen
so weit entfernt ist daß dieser Durchblick nur möglich ist, wenn man schon mal verrückt gewesen
ist. Deshalb sind Normale in der Irren-Offensive fehl am Platz, weil sie mit der ganzen Problematik, mit diesem
Unterschied leben müssen, nichts anfangen können, weil sie nur die eine Polarität haben." (Stöckle
1993, 349)
Es ist der auch schon von Talbot beschriebene Aspekt des ‘Nachvollziehens’ der Betroffene zu den ‘idealen Helfern’
werden läßt. Doch genauso wie sich der Professionellenstatus von Sozialarbeitern, Psycholgen,usw. in
Frage stellen läßt (Vgl. Olk 1986), ist auch der ‘Expertenstatus’ von Erfahrenen zu hinterfragen:
"Wieso sollten Psychiatrie-Betroffene von vornherein und ausnahmslos aneinander interessiert sein, solidarisch,
mitfühlend, kritikfähig und fähig zu ‘echten menschlichen Beziehungen’ sowie zu offener Auseinandersetzung?"
(Stöckle 1993, 333)
"Nur weil jemand das gleiche Leid erfahren hat, bedeutet das noch lange nicht, daß er oder sie sich
wirklich einfühlen kann. Auch das Gegenteil, nämlich daß ein Mensch ohne diese Erfahrung sich nicht
einfühlen kann, trifft nicht zu. Ich such mir die Leute sorgfältig aus, die ich um Hilfe bitte, wenn
ich entschieden habe, daß ich Unterstützung brauche; und dabei orientiere ich mich nicht an ihrem Hintergrund,
sondern an ihrer Fähigkeit, zuzuhören und mit mir in Beziehung zu treten." (Harold A. Mayo in Kemker/Lehmann
1993, 30)
Die Grenzen der Möglichkeiten von Selbsthilfe werden natürlich erkannt (Stöckle 1993, 354ff). Die
Erfahrungen im Umgang mit den sogenannten ‘Helfern’ machen ihnen es aber um so schwerer deren Hilfe anzunehmen:
"Sie haben Angst, ausgebeutet, zum Lernobjekt gemacht zu werden. Viele haben erfahren, daß die Normalen
zwar Interesse zeigen, daß sie sogar nachfragen, daß aber das Verständnis fehlt, daß es
für sie mehr eine Faszination oder ein Bedürfnis ist, sich mangels eigenem Erleben und Leben durch Anhören
fremder Erlebnisse Befriedigung zu verschaffen; oder daß sie ihre eigenen Probleme verdrängen und sich
auf Kosten der vermeintlich Schwachen, irren stabilisieren möchten."(349)
Für Professionelle wurden deshalb Extraregeln entworfen:
- "Professionelle, die sich gerne Experten nennen, müssen in der Weise arbeiten, daß sie ihre Beschäftigung
tendenziell überflüssig machen. Sie müssen den Betroffenen Geld, Material, Raum zur Verfügung
stellen.
- Professionelle müssen den Betroffenen auf deren Wunsch hin ihre berufliche Qualitäten als Hilfsleistung
anbieten und zur Verfügung stellen, wie medizinische Fähigkeiten, etwa beim Entzug von Alkohol oder Psychopharmaka,
Rechtsberatung, psychologische Beratung, Mitarbeit in Beschwerdezentren, Sozialberatung, usw.
- Sie müssen erkennen, daß eine Zusammenarbeit nicht aufgrund von formalen Berufsabschlüssen, sondern
aufgrund menschlicher Qualitäten wie Einfühlungsvermögen, Toleranz, Zuwendung usw. stattfinden muß.
Betroffenen muß die Möglichkeit einer gleichberechtigten Zusammenarbeit offenstehen." (Wehde 1991,
38f)
5.4. Formen der Zusammenarbeit
In den USA gibt es einige antipsychiatrische Projekte unter der Verwaltung von Betroffenen. Judi Chamberlin stellt
die Grundlagen dieser Arbeit da:
· Die Bedürfnisse der Betroffenen bestimmen die Hilfe und das Angebot der Institution.
· Die Nutzung des Angebots muß absolut freiwillig sein.
· Die NutzerInnen der Institution müssen ein Teil des Angebots annehmen können, ohne zur Teilnahme
an anderen Angeboten gezwungen zu sein.
· Die NutzerInnen der Institution geben sich gegenseitig Hilfe und Unterstützung, die auch durch Nicht-Betroffene
geleistet werden kann, die durch die Betroffenen ausgesucht wurden. Einem Menschen zu helfen, diesen zu unterstützen,
wird als eine menschliche Fähigkeit angesehen und nicht als etwas, was durch ein Studium oder einen Doktortitel
erworben wird.
· Die Leitung der Institution, eingeschlossen die Verantwortung für Finanzen und politische Entscheidungen,
liegt in den Händen der Betroffenen.
· Die NutzerInnen der Institution entscheiden, ob die Institution nur den Psychiatrie-Betroffenen oder aber
auch Nicht-Betroffenen offensteht. Wenn sich die Institution auch an Nicht-Betroffene richtet, muß dafür
gesorgt werden, daß die Betroffenen durch die Nicht-Betroffenen nicht unterdrückt werden.
· Die Verantwortung für die Institution liegt vollständig bei den Betroffenen und nicht bei Angehörigen,
anderen Institutionen oder dem Staat. Informationen über einzelne Betroffene dürfen nicht ohne deren
Zustimmung weitergegeben werde; die Informationen müssen den Betroffenen zugänglich sein. (zit.n.Wehde
1991, 38)
Die Umsetzung dieser Forderungen in die Praxis zeigt sich am Berliner "Weglaufhaus", das nach langen
Debatten mit dem Senat, psychiatrischen Organisationen und den Anwohnern errichtet wurde. Als Zufluchtsort für
Psychiatrie-Betroffene konzipiert, die vor psychiatrischer Gewalt geflüchtet sind, ist es für Menschen
ein Ort, an dem sie eine bestimmte Zeit und ohne Psychopharmaka zusammen leben können. "Sie können
hier neue Kraft schöpfen, Erfahrungen austauschen und verarbeiten, Zukunftspläne schmieden und in Ruhe
deren Umsetzung angehen" (Wehde 1991, 131). Angelehnt an das amerikanische Soteria Modell wird versucht mit
Vertrauensbezugspersonen Hilfen in rechtlichen, sozialen, medizinischen, psychischen sowie psychiatrischen Problemen
zu stellen. Die Aufenthaltsdauer soll möglichst kurz (längstens sechs Monate) sein. Die Mitarbeiter sollen
"Lebenserfahrung, Wärme, Konfliktfähigkeit, Aufsteh-, Steh- und Durchhaltevermögen, Selbständigkeit,
Selbstrespekt und Lernfähigkeit" besitzen (132). Daneben sind berufliche Qualifikationen zweitrangig.
Diese sollten aufgrund der vielschichtigen Problemlagen möglichst unterschiedlich sein: SozialpädagogInnen,
SozialarbeiterInnen, PsychologInnen, SoziologInnen. Die Arbeitszeit ist nicht schwerpunktmäßig der Tag,
sondern ebenso der Abend, die Nacht und das Wochenende.
Dieses Modell erscheint mir ein gelungenes Beispiel für die Verbindung sozialarbeiterischer Hilfen mit Bedürfnissen
(aufgrund ihrer Verrücktheit) ausgegrenzter Menschen. Die Abkopplung von der medizinischen Disziplin einerseits,
und von der juristischen andererseits löst in diesem Fall zwar noch nicht die Schwierigkeiten der mangelnden
Akzeptanz Verrückter in der ‘Gemeinde’, bietet aber eine Perspektive für ein freies und selbstbestimmtes
Leben.
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