Anklageschrift
für "Funkenflug" am
5.6.1999 in Lüneburg

Im Recht gibt es ja immer auch Präsidenzfälle, und um einen solchen handelt es sich beim Urteil des Foucault Tribunals vom 2. Mai letzten Jahres.
Ich will es an den Anfang der Anklage stellen. Darauf aufbauend möchte ich den Horizont ausleuchten, der durch dieses Urteil geschaffen wurde:
Das Urteil des Foucault Tribunals:


Wir stellen fest, daß die Psychiatrie, die nicht bereit ist, Zwang und Gewalt aufzugeben, sich der Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht hat:
der vorsätzlichen Zerstörung von Würde, Freiheit und Leben.
Vor allem, durch die Kategorisierung von Menschen als „geistig Kranke", wurde der totale Entzug von Menschen- und zivilen Rechten sowie des Naturrechts zugelassen.
Darüber hinaus kann die Psychiatrie nicht vorgeben, in der Kunst des Heilens tätig zu sein, hat sie doch durch den bewußtes Gebrauch von schädlichen Drogen den Hippokratischen Eid verletzt, was im Besonderen eine weltweite Epidemie von „tardive Dyskinesia" verursacht hat, sowie durch andere Eingriffe, die wir als Folter betrachten: unfreiwillige Inhaftierung, Verabreichung von Drogen durch Zwang, Fixierung, Elektroschock, alle Arten von Psychochirurgie und Verpflichtungen in ambulanter Behandlung.
Diese Praktiken und die Ideologie erlaubten den Psychiatern während der Nazi-Zeit so extrem zu werden, daß sie die Inhaftierten unter dem Vorwand von „Behandlung" systematisch ermordeten.
Die Psychiatrie weigert sich nicht nur, die Gewalt, die sie historisch vom Staat bekommen hat, abzugeben, sondern sie spielt sogar die Rolle eines hoch bezahlten und respektierten Organs sozialer Kontrolle und einer internationalen Verhaltens-Polizei, der Repression politischer und sozialer Abweichung.
Wir halten die Psychiatrie für schuldig, eine Kombination von Zwang und Unverantwortlichkeit - eine klassische Definition von totalitären Systemen - ausgeübt zu haben.
Als ersten Schritt fordern wir die Abschaffung der „Psychisch Kranken" Gesetze, so daß die Psychiatrie gegenüber der Gesellschaft verantwortlich wird. Daraus folgen Entschädigungen.
Öffentliches Geld muß auch für humane und würdevolle Alternativen zur Psychiatrie zur Verfügung stehen.

Urteilsbegründung

Die Verteidigung spricht vom therapeutisch notwendigem psychiatrischen Zwang bis hin zur körperlichen Gewaltanwendung, räumt jedoch ein, daß in „guten Psychiatrien" so wenig Zwang wie möglich angewendet wird.
Zwang ist offensichtlich nicht therapeutisch, sondern von der Art der Psychiatrie abhängig.
Wir verurteilen jede Form von psychiatrischem Zwang als Menschenrechtsverletzung.
Das psychisch Kranken Gesetz sieht psychiatrischen Zwang vor bei Selbst- und Fremdgefährdung. Die Praxis geht weit darüber hinaus. Hierbei handelt es sich lediglich um „Gefährdung", es ist noch zu keiner Tat gekommen, es wird also Vorbeugehaft ausgeübt.
Die Verteidigung bezeichnet jemanden als seelisch krank, der aufgrund von Beeinträchtigung im Erleben und Handeln von bestimmten gesellschaftlichen Anforderungen zu entlasten ist, weil die Selbsthilfekräfte nicht ausreichen.
Wir sind der Meinung, daß das Krankheitsmodell unangemessen ist.
Eine psychiatrische Krankenhausinstitution kann keine Hilfe in diesem Fall zur Verfügung stellen.
Wir sind der Meinung, daß ärztliches Handeln ausschließlich auf freiwilliger Basis erfolgen muß. Besonders gefährlich ist, daß Richter befangen sind und sich Gutachtender Psychiaterinnen und Psychiatern anschließen. Psychiatrie Überlebende haben Anspruch auf finanzielle Entschädigung oder Schmerzensgeld.

 

Soweit das Urteil.
Die zentrale Frage um die es geht, ist die Frage des Zwangs: das Brechen des Willens der Betroffenen mit gewaltsamen Mitteln. Um jegliches Mißverständnis auszuschliessen: Hier ist KEINE Rede vom Strafrecht, das ausgewiesene Straftaten mit dem Schutz einer Strafprozessordnung öffentlich verhandelt.

Die Psychiatrie geht noch weit über die Sanktionen des Strafrecht hinaus. Sie arbeitet systematisch mit Körperverletzung in Form von Zwangsbehandlung. Zwangsbehandlung, die zumindest als Drohung bei ALLEN psychiatrischen Maßnahmen im Raum steht. Diese Bedrohung besteht durch die psychisch Krankengesetze und die Zwangsbetreuungsverfahren auch dann, wenn sie nicht explizit ausgesprochen wird. Sie stellt für alle Menschen ein unkalkulierbares Risiko dar. Am treffendsten ist dafür noch ein Ausdruck der Nazidiktatur: Schutzhaft. Das verdeutlicht, daß es sich um ein staatlich legitimiertes System der radikalen Entrechtung von Bürger im Interesse einer formierten Gesellschaft handelt.
Für diese Gewaltmaßnahmen gegen unbewaffnete und wehrlose Menschen fordert Herr Dr. Stierl - Weinberg in seiner These 11 also "Solidarität".
Ich kann mir kaum eine schlimmere Verhöhnung des Wortes Solidarität vorstellen. Ein Wort, das für die gegenseitige Unterstützung unterdrückter Menschen steht, stattdessen zur Beihilfe des Brechens dieser Menschen zu gebrauchen, ist eine der widerwärtigsten Verdrehungen, zu der offensichtlich typischerweise die psychiatrische Sprache fähig ist.
Soll Ihre Aufforderung zur "kritischen Solidarität" auch für den Kollegen Karazidz gelten? Oder Solidarität mit Noske?
Zunächst einige Bemerkungen zu der legitimatorischen Rhetorik "Gefährdung", die selbstverständlich auch die Nazis für ihre Festnahmen zur Schutzhaftverwahrung und Beschönigung ihres Tuns benutzten. Zur anderen typisch psychiatrischen Floskel "Selbstgefährdung" komme ich später.

Wenn das Reden von der "Gefährdung " nur einen diskriminierenden Kern hat, darf es kein Kriterium einer psychiatrischen Freiheitsberaubung und Körperverletzung sein:
Ohne einen empirischen Beweis anzutreten, ist glaubhaft, daß z.B. junge männliche Afroamerikaner in New York, zwischen 15 und 35 in mehr Straftaten als Täter verwickelt sind als über 75 jährige weiße Frauen in derselben Stadt.
Im psychiatrischen Jargon, der sich völlig ungebrochen aus der Nazizeit hinübergerettet hat, haben also diese jungen Afroamerikaner eine sog. "Genetische Disposition" zu einem höheren sog. "Risiko" als ihre 75 jährigen Mitmenschen. Dies passiert im Jahr 1999 in dem der 7. Weltkongress psychiatrischer Genetik - wie letztes Jahr der 6. Weltkongress in Bonn - "Chromosomen Workshops" anbieten wird, um den angeblichen "Kandidaten Genen" für angebliche "Schizophrenie" den Kampf anzusagen. Eine Neo-Nazi Eugenik feiert ihr Come back.

Warum gibt es nun also keine spezielle Schutzhaft für 15-35 jährige männliche Afroamerikaner? Weil dafür der Begriff der staatlichen Diskriminierung zuträfe, eine Apartheidspolitik zu betreiben, die in keinem Staat Teil des Rechts sein darf, der sich auf die Menschenrechte und Demokratie mit dem entsprechenden Schutz vor staatlicher Benachteiligung stützt.

Im Urteil des Foucault Tribunal ist die Rede von würdevollen Alternativen zur derzeitigen Psychiatrie. Es geht um den ideologischen Hintergrund, der den Kern des Problems ausmacht: Das psychiatrische System ist eine staatlich verordnete Glaubensgemeinschaft, eine Zwangskirche, mit staatlich verordneten Zwangs-Kirchenbeiträgen in Form von angeblichen Krankenkassenbeiträgen, mit denen - im Gegensatz zum Knast - die eigene Einsperrung und Körperverletzung auch noch selbst bezahlt werden muß.
Es gibt eine ganz einfache Regelung, psychiatrische Bezeichnungen - die zwar sonst üblicherweise diffamierend verwendet werden - als Teil eines religiösen Ritus völlig unproblematisch zu machen:
Eine positive psychiatrische Vorausverfügung!
Damit können auch alle von den Ärztepriestern für notwendig befundenen Zwangsmaßnahmen in einem rechtsstaatlichen Rahmen verordnet und die entsprechende Behandlung durchgeführt werden: Selbstverständlich darf man niemanden verbieten, sich einsperren, fesseln (die sog. Fixierung), auspeitschen, demütigen und mit bewußtseinsverändernden Substanzen spritzen zu lassen.
Nebenbei bemerkt ist dabei immens wichtig, daß auch das drin ist, was draufsteht.
Hiermit möchte ich aufzeigen, daß Psychiatrie böse, im klassisch religiösen Gebrauch der Begriffe, Teufelswerk ist: im folgenden eine ausformulierte positive Psychiatrische Vorausverfügung, die alles Wesentliche umfaßt, um dem psychiatrischen Apparat seine Handlungsfreiheit zu sichern:

Positive psychiatrische Vorausverfügung
von......................................

Da ich an die Existenz einer psychischen Krankheit glaube, die bei mir akut werden könnte, möchte ich meine bürgerliche Freiheit dazu nutzen, hiermit ein positives psychiatrisches Testament zu errichten, um mich vor den Folgen dieser möglichen Erkrankung zu schützen, indem ich meine bürgerlichen Rechte in folgenden Punkten einschränke:
(eine oder mehrere Nennungen möglich)
o Falls der folgende Arzt / Psychiater / Psychiatrie / sozialpsychiatrische Dienst: ............................................................................................
(Namen und Adresse eintragen)
o Falls ein Arzt eine psychische Krankheit bei mir feststellen sollte, ermächtige ich sie/ihn hiermit, daß sie/er über meine weitere Behandlung befinden soll, damit ich schnell wieder genese. Ich ermächtige sie/ihn in seinen Dokumentationen landläufig diffamierende Wörter wie Schizophren, Manisch Depressiv, Borderliner usw. zu verwenden und staatlichen Institutionen bzw. halbstaatlichen Versicherungsgesellschaften schriftlich weiterzuleiten.

Insbesondere entbinde ich ihn/sie hiermit von dem Risiko einer späteren Anzeige wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung , sowie bevollmächtige ihn/sie hiermit zu folgenden Handlungen:
o Zwangseinweisung in eine geschlossene Abteilung der ....................................................................- Psychiatrie
o Einweisung in die geschlossene Abteilung einer Psychiatrie seiner/ihrer Wahl
o Zwangsbehandlung mit folgenden Medikamenten ............................................................................................
o Zwangsbehandlung mit Medikamenten nach freiem ärztlichen Ermessen, jedoch den Regeln ihrer Kunst o Der notwendige Zwang darf auch durch körperliche Gewalt und Angurten meines Körpers an das Bett nach ärztlichem Ermessen durchgeführt werden, dabei wünsche ich mir folgende Vorgehensweise: ............................................................................................
o Die Zwangsbehandlung soll durch jede nach ärztlichem Ermessen notwendige körperliche Gewalt und Fixierung erreicht werden. Dieses Testament kann durch eine neue schriftliche Erklärung jederzeit widerrufen werden, falls ich nicht zu dem Zeitpunkt dieser neuen Erklärung nach der oben angeführten Teil der Vorausverfügung für psychisch krank erklärt worden bin.

Ort,Datum,Unterschrift.................................................................... Dieses Testament habe ich den folgenden Vertrauenspersonen zur Verwahrung und Verwendung ausgehändigt, sie sollen von mir umgehend von einer neuen Erklärung in Kenntnis gesetzt werden: ..................................................................................................

 

Warum weiß weder ich noch sonst jemand im Saale von EINEM Arzt oder EINER Ärztin, daß er bzw. sie so eine positive Vorausverfügung unterzeichnet hätte, wo sie doch angeblich alle an die Existenz von"psychischer Krankheit" glauben?
weil sie die verschärfte Variante des St. Florians Prinzip gelten lassen wollen: verschon mein Haus, ich zünde andere an!
Das zeigt, daß es bei ihrem Tun um eine böse Handlung geht: das ganz einfache moralische Prinzip: "was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu", ist fundamental konterkariert - denn offensichtlich sind die "psychisch Kranken" immer nur die anderen.
Den Beweis, daß psychiatrisch Tätige einen kohärenten Glauben an "Psychische Krankheit" haben, der eben auch auf sie selber zutreffen würde, bleiben sie schuldig.
Womit sich bei genauerem Hinsehen offensichtlich das Gegenteil der These 12 des Herr Verteidiger herausgestellt hat. Damit sollte das Märchen von Psychiatrie als "wissenschaftlich" fundiertes Tun vom Tisch sein.
Es ist nichts anderes, als der Hokuspokus eines Astrologen, mit dem er sich zwangsweise Kundschaft rekrutieren kann:
Sie haben sicherlich schon von Gert Postel gehört, der kürzlich dafür verurteilt wurde, daß der sächsische Landtag ihm eine C4 Professorenstelle als Psychiatrische Klinikchef anbot, obwohl er nur ein Ausbildung zum Postboten hatte. Die 25 forensischen Gutachten, die Dr. Postel in den letzten Jahren als vorgeblicher Psychiater angefertigt hat, können nicht mal jetzt im Nachhinein angezweifelt werden.
Damit ist allerdings der Beweis angetreten, daß psychiatrische Doktoren und Professorentitel der reine Schwindel sind - sie beruhen auf nichts anderem als dem Kultivieren eines inhaltsleeren Jargons, eine besondere Art der Gaunersprache: Wortrabulistik der Nepper, Schlepper, Bauernfänger.
Da Gert Postel zu seiner Zeit als Flensburger Amtsarzt die Zwangseinweisungsrate um 86% senken konnte, muß ein Verbot der Universitären Ausbildung zum Psychiater erwogen werden, da die Ausbildung zum Postbeamten ihn offensichtlich besser zur Reduzierung dieser Gewaltmaßnahmen qualifiziert hat, als die ganze universitäre Verblendung mit einem elaborierten Code.
Warum wohl ist es so unwahrscheinlich, daß Psychiater auf Erfolgshonorarbasis ihre sog. "Leistungen" dem sog. "Patienten"anbieten? weil ein überprüfbares Kriterium dafür, daß sie Erfolg hatten, nahezu undenkbar ist!

 

Nun zu den Selbsttötungensversuchen und sog. Selbstgefährdung:


1) Es ist absurd von einer angeblichen "Krankheit" zu sprechen, denn eine Krankheit hat eine Ursache, ein Selbsttötungsversuch hat Gründe,also kann ihm nicht kausal begegnet werden. Damit hat sich jegliches Reden von "Krankheit" erübrigt.


2) Die Behauptung der Psychiatrie, sie würde mit Hilfe von Gewalt Menschenleben retten, ist eine Fiktion. Mit Krankheitsbegriff und Anwendung von Zwang schafft sie sich eine eigene Realität, die eine nachträgliche Überprüfung unmöglich macht. Das Leid, welches durch psychiatrische Interventionen erst verursacht wurde, läßt sich dann leicht als Folge der Krankheit darstellen.
An dieser Stelle die Aussage eines Kronzeugen - schreibt doch des Erfinder des Worts "Schizophrenie" Eugen Bleuler tatsächlich schon 1911:
"Ich bin überzeugt, daß bei der Schizophrenie gerade durch die Bewachung der Selbstmordtrieb geweckt, gesteigert und unterhalten wird. Nur ausnahmsweise würde sich einer unserer Kranken das Leben nehmen, wenn wir ihn gewähren ließen. Und wenn es auch ein paar mehr sein sollten, die zugrunde gehen - ist es recht, wegen dieses Resultates Hunderte von Kranken zu quälen und ihre Krankheit zu verschlimmern?"
(zit. n. Finzen, A. (1989): Suizidprophylaxe bei psychischen Störungen. Leitlinien für den therapeutischen Alltag. Psychiatrie Verlag, Bonn 1992 (3.Aufl.))


Und noch ein Verteidiger, der sich in Widersprüche verheddert hat:
Nach Prof. Asmus Finzen ist dieses Dilemma "nach 70 Jahren unverändert aktuell"(ebd.): "Denn", ich zitiere, "Suizidalität ist "Nebenwirkung therapeutischer Verfahren - der aufdeckenden Psychotherapie ebenso wie des Einsatzes von neuroleptischen oder antidepressiven Medikamenten" (ebd.) ...durch unsere Behandlung zwingen wir den Patienten aus seiner Wahnwelt heraus, ohne ihn ganz heilen zu können. Wir konfrontieren ihn mit der Realität, von der wir nicht wissen, ob er ihr gewachsen ist. Im Extremfall machen wir ihn durch unsere Behandlung stark genug, Bilanz zu ziehen und zu folgern, daß er in dieser Welt keine Chance hat, daß er in ihr nicht leben will."

3) Wenn der psychiatrische Apparat also tatsächlich von seinen "Wohltaten" überzeugt wäre, dann könnte er leichtestens Herzens für die Abschaffung der PsychKg´s und der Zwangsbetreuung eintreten. Er könnte seine Zwangsmaßnahmen mit dem üblichen Risiko einer Strafrechtsverfolgung wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung durchführen, da es ja Wohltaten sind: denn spätestens am Ende der Behandlung werden die so behandelten Menschen die "Wohltaten" als solche erkennen, so daß die "Wohltäter" nie etwas zu befürchten hätten.
Allerdings nur, wenn es so wäre!...

4) Soll ich mit einer Liste von gesellschaftlich gebilligten Selbstgefährdungen aufwarten?
Auf welch weitem Feld an Sportarten könnten sich die Psychiater betätigen?
Z.B. Gleitschirmfliegen, Motorradfahren, Tauchen, Bergsteigen, Wildwasserexpeditionen. Und wie steht's es um Rauchen, Alkoholgenuß, Sextourismus nach Thailand oder dem Darkroom in der Schwulenbar?
Wie können sie es zulassen, daß ein Mensch sich intensivmedizinische Versorgung verbitten kann und dadurch vorzeitig sein Leben beendet?
Aber Selbstgefährdungen sind hierzulande eben nur zulässig, solang die Handlungen einer Person nicht als "psychisch Krank" verleumdet werden!

Solange der psychiatrische Zwang nicht ausschließlich durch die Betroffenen legitimiert ist, muß vermutet werden, daß durch die psychiatrische Gewalt die Selbsttötungsrate höher ist, als ohne gesetzlich legitimierten Zwang.
Es steht also die Frage im Raum, ob nicht der derzeitige psychiatrische Apparat systematisch am gewaltsamen Tod von Menschen mitschuldig geworden ist.
Diese Verantwortung trägt die Psychiatrie zusätzlich zum systematischen Massenmord, zu dessen Durchführung sie die Gaskammer als Duschraum "erfunden" hat.
"Nicht die Nazis haben die Ärzte gebraucht, sondern die Ärzte die Nazis",
wie Ernst Klee in seinem Film "Sichten und Vernichten" zutreffend formuliert hat, den vorzuführen ich hiermit den Beweisantrag stelle.

Die Deutsche Nachkriegspsychiatrie, nicht die NS Psychiatrie, ist außerdem verantwortlich für systematisches Tothungern lassen, Massenmord von 1945 bis 1947!
Diese Morde wurden begangen durch das medizinische Personal, das sich die mageren Rationen der "Gefangenen" unter den Nagel gerissen hat und danach haben die Ärzte wie gehabt, eine andere Todesursachen als Verhungern auf den Totenschein geschrieben: perfektes Morden in Serie.

Insofern ist es zynisch, wenn die Verteidigung - hier nun Dr. Stierl - in Punkt eins von der Permanenz von Gewalt in menschlichen Gemeinschaften spricht, die er daraus herleitet, daß Zitat "Gewalttätigkeit eine Möglichkeit menschlichen Handeln" sei. "Krankem und Gesundem", wie er sagt.
In der Klinik, so Herrn Stierls Schlußfolgerung aus dieser menschlichen Binsenweisheit, (ich zitiere weiter) "geschieht sie offiziell und damit kontrollierbar."
Hier findet eine Verkehrung ums Ganze statt. Und hier setzt unsere Anklage gegen die Psychiatrie ein:
An sich illegitime Gewalt gegen sozial unerwünschte Individuen - die möglicherweise auch Gewalt ausüben, aber sehr viel häufiger nur unter dem Verdacht stehen, gewalttätig zu werden - also nach rein juristischen Kriterien illegitime Gewaltausübung gegen sozial unerwünschte Individuen - verwandelt sich mit Hilfe des Gutachterwesens der Psychiatrie in legitime Gewalt.
Konkret heißt das, daß ein bisher nur unter Verdacht stehendes Subjekt, erst durch seine Psychiatrisierung in Haft genommen werden kann.
Die unterstellte, angenommene Gewalt - die oft nichts anderes darstellt als ein "Nerven" der anderen mit unüblichen, keineswegs gewalttätigen Verhalten - legitimiert " die selbsternannten Ordnungshüter der Medizin" durch die Psychiatrisierung, zur institutionell ausgeübten Gewalt.
Jemand wird eingeschlossen, jemand wird elektrogeschockt, jemand wird zwangsmedikamentiert, weil ihm Gewalt unterstellt wird!


Gewalt ist eine Möglichkeit menschlichen Handelns, Herr Stierl, aber muß sie deshalb für ihren Berufsstand legitimiert werden?
Patienten sind nicht per se Opfer, sondern Handelnde, das stimmt - genau wie Psychiater nicht per se Täter sind, sondern Handelnde - auch so eine Banalität. Wir sind hier, um uns dieses Handeln einmal näher anzuschauen und dann zu urteilen. Daß die - ich zitiere noch einmal Herrn Stierl - Psychiatrie ein Stück Ausdruck und Spiegel dieser Gewalt "also Möglichkeit menschlichen Handelns ist" - erscheint insofern als Plädoyer institutionalisierten Gewaltgebrauchs.
Denn, ich zitiere weiter die Verteidigung, "in der Klinik geschieht sie (die Gewalt) offiziell und damit kontrollierbar".

Zynischer kann man einfach nicht mehr argumentieren angesichts einer historischen Erfahrung offiziellen Gewaltmißbrauchs, offizieller staatlicher Kontrolle im Nationalsozialismus, in dem die Psychiatrie sich als perfekte Komplizin der offiziellen Tötungsmaschinerie geriert hat.
Die Psychiatrie soll angeblich der Kontrolle im gesellschaftlichen Auftrag dienen und kann diese vermeintliche Doppelfunktion, nämlich - wie es die Verteidigung so schön formuliert hat - als Ordnungsmacht einerseits und therapeutische Institution andererseits, prinzipiell nicht erfüllen.

Therapie kann immer nur auf freiwilliger Basis stattfinden. Eine Institution, die sich auf ihre Fahnen geschrieben hat, als eine Art Katalysator zu funktionieren, indem sie illegitime Gewaltausübung gegen Individuen in medizinisch-psychiatrisch legitimierte Gewalt verwandelt - eine solche Institution kann unmöglich im Namen des Humanismus auftreten und angeblich "von der Krankheit befreiende Therapien" anbieten.
Das ist ein Widerspruch an sich, denn die Psychiatrie - hier in der Stimme der Verteidigung - muß erst kranksprechen, um Zwang anwenden zu können, um dann mit dem Mittel des Zwanges, und das ist der entscheidende Punkt - gesund zu therapieren.
Heiligt der Zweck hier wirklich die Mittel?
Das hieße vor allem, einmal den Zweck diesseits von pathologisierenden Diagnosen, zu benennen.
Denn der Zweck ist schon da, bevor die Psychiatrie antritt, eine den Zwang legitimierende Diagnose zu erstellen.
Im Nationalsozialismus war der Zweck - nämlich die Eliminierung aller "asozialen Element" klar benannt. Wie ist das heute?
Diese Frage nach dem Zweck muß sich die Psychiatrie gefallen lassen, bevor sie Menschen gegen deren Willen "hilft".

Verzeihen sie mir bitte den harschen Ton und den Hauch von Polemik, ich weiß, wie sehr wir es schätzen müssen, daß Sie sich, Dr. Stierl, zu einer Verteidigung haben hinreißen lassen, die dem ganzen Verfahren ja erst die nötige Authentizität gibt.

Die Prämisse der Verteidigung sagt schon alles:
Zwang und Gewalt als "unvermeidlicher" Bestandteil psychiatrischen Handelns.
UNVERMEIDLICH
Das ist nicht nur eine Verkehrung, sondern auch eine LÜGE.
Das wissen sie ganz genau, denn ich denke, ich kann unterstellen, daß sie in Ihrer Aus- und Weiterbildung davon erfahren haben, daß es so etwas wie ein Herner Modell gibt und daß es so etwas wie eine Soteria gibt.
Ich kann Ihnen versichern, daß ich mit eigenen Augen im Land Brandenburg in Angermünde eine Psychiatrie gesehen habe, in der nach Herner Modell weder Schlösser an irgendeiner Tür sind, noch Fixiergurte existieren.
Genauso habe ich mich in Frankfurt Oder von deren gewaltlosem Soteria-Konzept überzeugen können.
So muß es auch in der Original-Soteria bei Prof. Mosher und bei Chompi in Bern sein.

Aber Sie schreiben als Prämisse Ihrer Thesen UNVERMEIDLICH.
Da wird es leider unvermeidlich, daß ich Ihnen Ignoranz und Boshaftigkeit bescheinigen muß, wenn Sie wider besseres Wissen UNVERMEIDLICHKEIT behaupten.
Ja sie steigern sich sogar noch dazu diese UNVERMEIDLICHE Gewalt "offiziell" und damit "kontrollierbar" zu bezeichnen.
Ich bezeichne das als eine zynische Verhöhnung.
Tatsächlich wollen Sie Ihrem Gewaltanspruch die hehren Weihen des Staatlich Notwendigen angedeihen lassen. L état c´est moi.
Und sie haben die Dreistheit, mal wieder die Gewalt den Opfern IHRER Gewalt in die Schuhe zu schieben, indem Sie bescheinigen, daß die psychiatrische Gewalt nur Spiegel und Ausdruck der Gewalt ihrer Opfer wäre.

Das ist die gleiche Unverschämtheit, wie zu behaupten, die Nazis oder Hitler wären "Wahnsinnig" gewesen, nur um zu verdecken, daß es gerade die Psychiatrisierten - Wahnsinnige - waren, die als erste Opfer der systematischen Massenvernichtung wurden, ganz "offiziell" und "kontrolliert", mit rotem + und blauem - auf dem wohlgeordneten Fragebogen der T4 Mordzentrale.
Alles Spiegel und Ausdruck der Gewalt der Wahnsinnigen?
Mit diesen These haben sie sich gründlich desavouriert, Herr Doktor.
Dazu gibt es ein berühmtes Jüdisches Bonmon: Niemals werden die Deutschen den Juden verzeihen, daß sie die Juden vergast haben.

 

Für die ideologische Reichweite der psychiatrischen Konstrukte, möchte ich abschließend ein anschauliches Beispiel geben - dieses Bild wird bis heute von der Heidelberger Psychiatrie mit dem folgenden Kommentar im Katalog ihrer sog. Prinzhorn Sammlung aufgeführt:
Das Bild ist von einer Frau gemalt, die als Person zwar mit dem Namen nicht mal benannt werden kann, aber es wird die Auskunft gegeben, sie habe eine "paranoide Psychose".
Bei diesem Ausstellungsobjekt sieht man "Schizophrenie".
Es ist dem Psychiater Prinzhorn tatsächlich gelungen, so eine eigenständige Kategorie wie Kunst dem psychiatrischen Jargon gefügig zumachen, mit allerdings verheerenden Folgen:
Diese Pathologisierung war der Hebel mit dem es wenige Jahre später dem Nachfolger des Vorgesetzten von Hans Prinzhorn, dem Chefarzt und Mörder im Dienst der Wissenschaft, Carl Schneider, gelang, in Zusammenarbeit mit den Nazis die bösgläubig erworbenen Werke psychiatrisierter Menschen als Referenzobjekte für "Entartung" in der Ausstellung"entartete Kunst" zu verwenden, -Entartung-, da klingt schon alles mit: Seelenloses Fleisch, auf das nicht mehr der Begriff der Gattung Mensch zutrifft.
Die ideologische Vorbereitung für den Holocaust wurde von Psychiatern im Begrifflichen, via die Brücke Pathologisierung der Kunst, geleistet.
Und in Heidelberg wird sie implizit, fairerweise muß betont werden NICHT explizit, bis heute fortgesetzt.
Deshalb dürfen die Werke der teilweise in psychiatrischen Gasmordanstalten umgebrachten Künstler auch nicht auf Bitten des Bischofs von Berlin für ein Denk-Mal und Museum in Berlin, das von Psychiatrie Erfahrenen betrieben werden soll, freigegeben werden - sondern sollen in einem "Museum Prinzhorn" in Heidelberg zur Verhöhnung der Maler in einem Hörsaal dieser Psychiatrie Heidelberg weiterhin dienlich sein.

Wie kann da noch bestritten werden, daß menschenverachtendste Gewalt am Grunde der Psychiatrie liegt und die Textur dieses Gebildes ausmacht, daß es sich um ein Foltersystem mit dem Geständniszwang "Psychisch Krank" handelt?
Mir scheint der Fall klar - insbesondere die deutsche Psychiatrie ist:
Schuldig!
Schuldig!
Schuldig!

 

© René Talbot 4/6/´99

 

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